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Politik: Operation Eintracht

Die Europäische Union übernimmt ihr erstes militärisches Kommando – sie leitet den Einsatz in Mazedonien

Eine Premiere für die Europäische Union. Sie hat erstmals das Kommando einer militärischen Mission übernommen. In Mazedonien führt sie seit Montag den friedenssichernden Einsatz weiter, den die Nato dort im Herbst 1999 unter dem Namen „Allied Harmony“ begonnen hatte. Die rund 350 Mann starke Truppe, zu der bis zu 70 Bundeswehrsoldaten gehören, wird vom deutschen Vizeadmiral Rainer Feist befehligt.

Auf den ersten Blick wird sich durch die Übergabe des Kommandos an die EU nicht viel für Mazedonien ändern. Die meisten der Nato-Soldaten waren schon bisher Europäer. Auch das Mandat dieser ersten EU-Truppe ist so formuliert, dass es wie bisher den Schutz der OSZE-Beobachter im Land garantieren soll. Die Beobachter sollen das unter internationaler Vermittlung im August 2001 geschlossene Ohrid-Abkommen überwachen, mit dem schwere Kämpfe zwischen albanischen Rebellen und mazedonischen Sicherheitskräften beendet wurden, und das der albanischen Minderheit mehr Rechte einräumen soll.

„Die Verantwortung für die Sicherheit des Landes liegt bei der mazedonischen Regierung“, sagte die Außenministerin Ilinka Mitreva bei einer Debatte im Parlament. „Aber die europäischen Streitkräfte werden hier den Friedensprozess unterstützen.“ So hatten bereits vergangenen Mittwoch 88 von insgesamt 120 Abgeordneten des mazedonischen Parlaments zugestimmt, dass die Europäische Union mit der Mission „Concordia“ (Eintracht) in Mazedonien erstmals militärisch aktiv wird. Wenn das Engagement erfolgreich läuft, könnte die EU im kommenden Jahr auch den Nato-Einsatz in Bosnien-Herzegowina übernehmen, bei dem rund 12 000 Soldaten im Einsatz sind.

Doch es gibt in Mazedonien auch kritische Stimmen zum Wechsel der Flaggen. So befürchten einige, die Sicherheitslage könnte gefährdet werden. Der angesehene politische Analyst Saso Ordanoski von der Zeitschrift „Forum“ in Skopje beispielsweise erinnert skeptisch an die „Ineffizienz“ der Europäer. Für die EU sei es „ein großes Experiment, und wir sind die Versuchskaninchen“, meint Ordanoski. Er glaubt, dass der Rückzug der USA der albanischen Seite ein falsches Signal geben könnte. Der albanische Nationalismus sei in der Region keinesfalls ausgestanden, und extremistische Kämpfer könnten sich im Schatten des Irak-Krieges und angesichts der transatlantischen Spannungen dazu ermuntert fühlen, Mazedonien erneut zu destabilisieren.

Tatsächlich gibt es in letzter Zeit aus den albanischen Gebieten in Südserbien, Kosovo und Westmazedonien vermehrt Berichte über verstärkte Aktivitäten frustrierter Rebellen. So ruft die extremistische „Albanische Nationale Armee“ (AKSh) auf ihrer Website schon seit Monaten zum bewaffneten Kampf auf. Im Februar bekannte sich die Gruppe zu einem Anschlag auf ein Gerichtsgebäude im westmazedonischen Struga. Anfang März starben zwei polnische Nato-Soldaten, als eine Mine hochging. Aus der albanischen Diaspora in Westeuropa gibt es Stimmen, die behaupten, es werde wieder mehr Geld für den Unabhängigkeitskampf gesammelt. Ob solche Vorfälle vereinzelt bleiben oder albanische Extremisten wieder Zulauf bekommen, wird von der politischen Entwicklung im Land ebenso abhängen wie von der Bewältigung der anhaltenden Wirtschaftskrise.

Der mazedonischen Regierung stehen einige Herausforderungen ins Haus. Gleich nach seinem Machtantritt hat der mazedonische Regierungschef Branko Crvenkovski der Korruption den Kampf angesagt. Welche Risiken ein entschiedenes Vorgehen gegen die weit verzweigten Machenschaften der organisierten Kriminalität birgt, hat gerade erst der Mord an Serbiens Regierungschef Zoran Djindjic gezeigt. Die Mafia, die sich an Frauenhandel, Waffen und Drogengeschäften bereichert, versucht nach Einschätzung von Experten über die seit dem Zerfall des früheren Jugoslawien existierenden Landesgrenzen hinweg ihre Einflusssphäre zu sichern. So könnte der Minen-Anschlag auch der Polizei gegolten haben, die in letzter Zeit verstärkt die Schmuggelrouten kontrolliert.

Innenpolitisch schwierig dürfte es in Mazedonien vor allem werden, wenn die Regierung die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung bekannt gibt. Dies schiebt sie bislang auf. Es könnte sich bestätigen, dass der Anteil der albanischen Bevölkerung in Mazedonien weit niedriger liegt als bislang vermutet. Diplomaten sprechen bislang nur hinter vorgehaltener Hand davon, dass es nach den Ergebnissen des Zensus in Mazedonien vielleicht doch nur etwa 19 Prozent Albaner geben könnte, statt der von albanischer Seite behaupteten fast 30 Prozent. Ein solches Ergebnis, das die albanische Seite schwer akzeptieren könnte, dürfte dem verbreiteten Ärger unter den slawischen Mazedoniern ein Ventil geben, die sich wegen andauernder Forderungen der albanischen Minderheit schon lange übervorteilt sehen. Dies könnte den gesamten Friedensprozess von Ohrid gefährden.

Gemma Pörzgen[Belgrad]

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