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Politik: Opfer für viele, kein Opfer für einige

Italiens Premier Monti legt im Eiltempo sein Sanierungsprogramm vor: Die Mehrwertsteuer steigt erneut – eine Reichensteuer verhindert Berlusconi.

Die Ministerin ist fertig. Erschöpft vom zweiwöchigen Sitzungsmarathon. Vor allem kann sie das eine Wort nicht mehr hören. Es will ihr nicht mehr über die Lippen, aber aussprechen muss sie es, der Rettungsplan für Italien verlangt das so. Deshalb setzt Sozialministerin Elsa Fornero an: „Auch wenn wir uns psychisch schwergetan haben, wir mussten Opf…“ Weiter kommt sie nicht. Ihre Stimme geht in Tränen unter.

„Opfer“ hat Regierungschef Mario Monti den Italienern schon vorab angekündigt; am Sonntagabend hat seine Expertenregierung – erst zwei Wochen im Amt, aber einen Tag schneller als geplant – ihr großes Dekret zur Haushaltssanierung verabschiedet, und Monti hofft, „die Lasten gleichmäßig verteilt“ zu haben. Mit drei Argumenten will er die drastischen Maßnahmen seinen Landsleuten näherbringen: Wenn Italien jetzt nicht radikal umsteuere, sagt der Wirtschaftsprofessor und frühere EU-Kommissar, „dann kracht es zusammen“. Und dann „geht unter, was ganze Generationen über sechzig Jahre hinweg geschaffen haben“.

Montis zweites Argument zielt aufs Selbstwertgefühl: Italien, Gründungsmitglied der EU, müsse und werde seine Rolle in der Gemeinschaft wieder „voll erfüllen“. Das dritte Werbeargument: Die Politik will Vorbild sein – und fängt bei sich an zu sparen. Monti verzichtet auf sein Gehalt als Regierungschef und Finanzminister; keiner im Kabinett bezieht ein zweites Gehalt aus öffentlichen Kassen; die Vorgängerregierungen hatten da keinerlei Skrupel.

Dann aber kommt’s: Zur vierten Haushaltskorrektur, die das kriselnde Italien seit dem Sommer erlebt, und die trotz Nullwachstum den Staatshaushalt bis 2013 ausgleichen soll, tragen die Bürger weitere 17 Milliarden Euro bei. Die noch zu Zeiten Berlusconis von 20 auf 21 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer steigt auf 23 Prozent. Die von Berlusconi gestrichene Grundsteuer kehrt zurück – auf der Basis von Einheitswerten, die um 60 Prozent angehoben werden. Die in Italien so beliebte Frühpensionierung wird gestrichen; das bedeutet für Arbeiter/innen, dass sie schlagartig um bis zu sechs Jahre länger auf die Rente warten müssen. Damit sie aber ihre Stelle nicht zulasten der nächsten Generation blockieren – die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent –, sparen Firmen, die junge Leute und Frauen einstellen, ab sofort eine Menge Steuern.

Eine Vermögenssteuer ist am hartnäckigen Widerstand des Multimilliardärs Berlusconi gescheitert. Um die Wohlhabenden, die traditionell auch zu den größten Steuerhinterziehern gehören, trotzdem zur Kasse zu bitten, verlangt Monti drastisch erhöhte Gebühren für teure Autos, Jachten und anderen Luxus.

Wer im Zuge der letzten großen Steueramnestie gegen lächerliche fünf Prozent „Buße“ sein Schwarzgeld aus der Schweiz zurückgeholt hat, zahlt jetzt noch einmal 1,5 Prozent obendrauf. Die Erlöse daraus kommen unmittelbar den Beziehern von Minirenten zugute.

„Eine Botschaft großer Besorgnis und eine Botschaft großer Hoffnung“ will Monti aussenden: „Nennen Sie unser Dekret ruhig ,Dekret zur Rettung Italiens’.“ Sozialministerin Elsa Fornero, als sie sich wieder gefangen hat, versichert, das Volk werde die Opfer verstehen: „Die Alternative lautet: gemeinsame Verarmung.“

Und die Parteien, die dem Paket Gesetzeskraft verleihen sollen? Sie knurren, sprechen von einem „überaus harten Manöver“, das sie „noch verbessern“ wollen. Aber außer kleinen Randgruppen und der üblichen Lega Nord ist niemand dagegen. Und Berlusconi sagt kein Wort.

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