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Die Menschen "bei ihrer Gefühlsage abholen" - das hat sich der frühere Ministerpräsident Kurt Beck vorbenommen.

© Frank Rumpenhorst / dpa

Opferbeauftragter für das Breitscheidplatz-Attentat: "Eine solche Aufgabe übernimmt man nicht leicht"

Kurt Beck weiß um die Gebrechlichkeit der Menschen - als Kind wurde er brutal ausgegrenzt. Womöglich hilft ihm das nun, Verletzungen zu heilen.

Von Hans Monath

Begeistert war Kurt Beck nicht, als ihm das neue Amt angetragen wurde. Doch dann hat er zugesagt. Am Mittwoch ernannte ihn das Bundeskabinett zum Beauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Breitscheidplatz-Attentats. "Eine solche Aufgabe übernimmt man nicht leicht, weil man die seelischen und körperlichen Verletzungen der Menschen natürlich einschätzen kann", sagt der Sozialdemokrat. Aber wenn die Bundesregierung frage, sage man ja.

Im fernen Berlin scheiterte er nach zwei Jahren

Für die Verletzbarkeit, auch für die seelische Verletzbarkeit von Menschen hat der 68-Jährige ein feines Gespür. Wegen einer Neurodermitis wurde er in seiner Jugend brutal ausgegrenzt. Fast 19 Jahre lang war er später Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz – ständig im eigenen Land unterwegs und unter Menschen. Im fernen Berlin scheiterte er als SPD-Chef nach nur zwei Jahren. Auch aus der eigenen Partei schlug dem Elektrotechniker aus der Provinz, der nie studiert hatte, oft Arroganz entgegen.

Nun muss er sich einem brutalen Geschehen stellen: Zwölf Menschen starben, 50 wurden verletzt, als Anis Amri am 19. Dezember 2016 mit seinem Lkw in den Weihnachtsmarkt raste. Die Davongekommenen und Angehörigen werden ihr Leben lang von dem Ereignis verfolgt werden. "Ich will mit den Opfern in Deutschland und in anderen Ländern reden und ihnen helfen", sagt Beck, der heute die Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. Dabei geht es um symbolische Zuwendung, aber auch um ganz praktische Fragen wie Waisen- oder Hinterbliebenen-Renten.

Beck weist Vorwurf der Empathielosigkeit zurück

Wichtig ist dem Pfälzer, dass er seine Aufgabe nicht in Konkurrenz zur Berliner Politik versteht – ganz eng will er mit den Verantwortlichen in der Hauptstadt zusammenarbeiten. Denn manches muss aufgearbeitet werden. Das erste amtliche Schreiben, das Angehörige eines Opfers erhielten, war die Rechnung für die Obduktion. Den Vorwurf, Gesellschaft und Politik hätten zu wenig Empathie mit den Opfern gezeigt, will Beck dennoch nicht stehen lassen: Er habe durchaus den Eindruck, dass ihnen Mitgefühl entgegengebracht werde.

Für Klagen bringt er trotzdem Verständnis auf: "Manches von der Kritik ist gerechtfertigt, manches ist aus der Betroffenheit deutlich zugespitzt", sagte er. Aber es komme nun auf etwas anderes an: "Wir müssen die Menschen da abholen, wo sie mit ihrer Gefühlslage sind." Womöglich ist der Politiker, der immer "nah’ bei de Leut" sein wollte, nun der Richtige, um Verletzungen zu heilen.

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