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Politik: Opposition in Kiew will nicht aufgeben

Nach Beschluss über Amnestiegesetz in der Ukraine.

Warschau - Der Machtkampf in der Ukraine geht trotz der Entscheidung des Parlaments in Kiew über ein Amnestiegesetz für Demonstranten weiter. „Wir bleiben, wo wir sind“, sagte Oppositionsführer Vitali Klitschko am Donnerstag. Das am Mittwoch gegen die Opposition beschlossene Amnestiegesetz befriede das Land nicht, sagte Klitschko. Sein Verbündeter, der Nationalist Oleh Tjanhibok, kündigte unterdessen an, dass seine Freiheitspartei im Parlament ein Widerrufsgesetz einreichen werde. Doch damit dürfte die Opposition einstweilen keine Chancen haben – denn sie verfügt nur über 168 von 450 Parlamentssitzen.

Das von der Fraktion des Staatspräsidenten beherrschte Parlament hatte nach zweitägiger Hinhaltetaktik und dem persönlichen Erscheinen von Präsident Viktor Janukowitsch am späten Mittwochabend ohne Diskussion ein Amnestiegesetz für verhaftete Demonstranten durchgesetzt. Das Gesetz soll jedoch erst in Kraft treten, wenn alle Regierungsgebäude im Lande geräumt sind. Die Opposition würde damit allerdings ihre Erfolge in der Provinz kampflos opfern. Inzwischen sind neun von 25 Verwaltungsbezirken fest in ihrer Hand.

Inmitten der politischen Krise erkrankte allerdings Janukowitsch nach Angaben seines Amtes. Dadurch könnten sich wichtige Entscheidungen verzögern – etwa die Wiederherstellung der Demonstrationsrechte. Während die Opposition von einer „politischen Erkrankung“ sprach, hieß es auf der Internetseite des Präsidialamtes, Janukowitsch leide an Fieber und Halsschmerzen. Doch auch vom Krankenhausbett aus ritt Janukowitsch neue Attacken gegen die Opposition. Unverantwortliche Politiker würden die Situation im Land weiter anheizen, hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Erklärung. „Die Opposition trachtet nach einer Eskalation des Konflikts“, klagte Janukowitsch. Trotz des Frosts mobilisiere sie weiter, nur um ihre eigenen persönlichen Ambitionen zu befriedigen, erklärte der Staatschef.

Unterdessen rief der regierungstreue Oligarch Dmytro Firtasch die Regierung und die Opposition auf, in echte Verhandlungen einzutreten. Die Situation erlaube es ihm als Bürger und Geschäftsmann nicht, „weiterhin zu schweigen“, erklärte Firtasch, der seine milliardenschweren Energiegeschäfte vor allem über Zug in der Schweiz abwickelt. Zieht der Aufschrei der Oligarchen weitere Kreise, könnten Janukowitschs Tage bald gezählt sein.

In Kiew kursieren derweil bisher unbestätigte Berichte, dass im Krankenhaus ein weiteres Opfer der Scharfschützen seinen Verletzungen erlegen sei. Eine auf Twitter veröffentlichte Grafik der Demonstranten auf dem Maidan zählt dazu rund 30 „Verschwundene“, mehr als 2000 Verletzte und weit mehr als 100 Verhaftete auf. Unbekannte haben ukrainischen Presseberichten zufolge allein in der Nacht zum Donnerstag wieder 23 Autos abgefackelt – allesamt hatten westukrainische Nummernschilder. Janukowitschs Innenministerium veröffentlichte am Donnerstag eigene Zahlen, die zeigen sollen, dass es auf beiden Seiten gleich viel Opfer gegeben habe. So bestätigte das Ministerium zwei Tote auf beiden Seiten sowie je 250 Verletzte. Von gefolterten Aktivisten und Entführungen aus den Krankenhäusern ist keine Rede. Paul Flückiger

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