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Politik: Opposition verlangt Aufklärung über Neonazi-Spitzel

Union, FDP und PDS fordern Sondersitzung des Innenausschusses mit Schily / V-Mann war Anführer der deutschen „Hammerskins“ 

Berlin. Im Streit um einen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz an der Spitze der Neonazi-Szene fordern Sprecher der Bundestagsfraktionen von Union, FDP und PDS eine Sondersitzung des Innenausschusses noch im August. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und der Präsident des Bundesamtes, Heinz Fromm, müssten umfassend über die Aktivitäten des Spitzels Auskunft geben, verlangten am Montag übereinstimmend Wolfgang Bosbach, Vizechef der CDU/CSU-Fraktion, Max Stadler, innenpolitischer Sprecher der FDP-Parlamentarier, und Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der V-Mann an Produktion und Vertrieb einer CD der Neonazi-Band „Landser“ mitgewirkt hat. Gegen die Gruppe ermittelt Generalbundesanwalt Kay Nehm.

Das Bundesinnenministerium bezeichnete die Forderung der Oppositionspolitiker als „Show“. Nicht der Innenausschuss, sondern das Parlamentarische Kontrollgremium sei das richtige Instrument, sagte Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal. Außerdem gebe es keinen Anlass, das Verhalten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu beanstanden. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte vor einer „Riesenaufgeregtheit“. Es sei allerdings „absolut legitim“ zu fragen, ob ein V-Mann zu weit gegangen ist.

„Landser“ gilt in der rechtsextremen Szene als Kult-Band. Die vier Mitglieder der Berliner Gruppe rufen auf ihrer CD „Ran an den Feind“ zu Gewalt gegen Bundestag und Bundesregierung auf, propagieren „Bomben auf Israel“ und bedrohen Migranten mit Mord. Generalbundesanwalt Kay Nehm ermittelt seit etwa zwei Jahren gegen „Landser“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und weiterer Straftaten. Die Ermittlungen stünden kurz vor dem Abschluss, sagte am Montag die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin Scheuten. Offenkundig ist schon in den nächsten Wochen die Anklage gegen die Band und einen Hintermann zu erwarten.

Unterdessen steht fest, dass es sich bei dem V-Mann um den sächsischen Neonazi Mirko H. handelt. Im Dezember 2001 verurteilte ihn das Landgericht Dresden zu zwei Jahren Haft, unter anderem wegen seiner Beteiligung an der Produktion der „Landser“-CD. „Dem Generalbundesanwalt wurde in einem frühen Stadium der Ermittlungen bekannt, dass Mirko H. an der technischen Herstellung der CD ,Ran an den Feind’ beteiligt war“, sagte Scheuten. Zu der V-Mann-Tätigkeit von Mirko H. äußerte sie sich nicht. Der Neonazi hat in der Szene lange eine Führungsrolle eingenommen. Er dirigierte den deutschen Ableger der „Hammerskins“, einer internationalen Skinhead-Vereinigung. Gegen 29 „Hammerskins“ ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

In Berlin hat am Montag der Anwalt des von Brandenburgs Verfassungsschutz geführten V-Manns Toni S. einen Antrag auf Haftverschonung zurückgezogen. S. wurde im Juli bei einer umstrittenen Razzia der Berliner Polizei festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen S. und seinen V-Mann-Führer wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Propagandadelikte. Frank Jansen

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