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Arsenij Jazenjuk ist 39 Jahre alt, hat aber schon viel politische Erfahrung.

© dpa

Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk: Gnadenlos gegen das ukrainische System

Der ukrainische Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk gibt sich im Kampf gegen die Regierung unerbittlich Heute ist er zusammen mit Vitali Klitschko zu Gast bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin.

Es ist ein grauer Samstagvormittag. Im Stadtzentrum von Kiew haben sich Veteranen des Afghanistankrieges der Sowjetunion eingefunden, um an das Ende der zehnjährigen Auseinandersetzung zu gedenken. Unter den Anwesenden fällt ein junger, hochgewachsener, etwas schlaksiger Mann mit Nerdbrille und Basecap auf. Arsenij Jazenjuk passt optisch nicht in die Gruppe, trotzdem kann er die Soldatenlieder der 1970er Jahre mitsingen, die die 500 Männer auf ihrem Weg zum Veteranen-Denkmal im Regierungsviertel Kiews anstimmen.

Die Afghanistan-Veteranen sind wichtig für den Fraktionschef der größten ukrainischen Oppositionspartei, sorgen sie doch mit für die Sicherheit auf dem Maidan in Kiew. Dort, wo seit fast drei Monaten tausende Menschen in Zelten ausharren, um gegen den autoritären Kurs von Präsident Viktor Janukowitsch zu protestieren. „Der Präsident verkörpert ein System, was 1991 untergegangen ist. Er lebt nach wie vor nach den Werten, die in der UdSSR gültig waren. Damit ist kein Neustart zu machen“, sagt der promovierte Wirtschaftswissenschaftler und Jurist Jazenjuk.

Der aus dem westukrainischen Czernowitz stammende Sohn eines Professors und einer Lehrerin für Fremdsprachen ist trotz seiner 39 Jahre ein erfahrener Politiker. Jazenjuk war bereits Außen- und Wirtschaftsminister sowie Parlamentssprecher. 2010 hat er an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen. Er gilt als Befürworter eines Nato-Beitritts der Ukraine und plädiert für eine liberale Wirtschaftspolitik. „Die Ukraine muss ihre politische und wirtschaftliche Krise in den Griff bekommen. Wenn unsere Regierung das Assoziierungsabkommen mit der EU Ende 2013 unterzeichnet hätte, wäre das die Chance uns zu modernisieren“, sagt Jazenjuk. Russland hingegen „will nur eine neue Berliner Mauer aufbauen, dieses Mal verläuft die Grenze zwischen der Ukraine und der EU“.

Jazenjuk scheut selten einen Konflikt. Er sei manchmal zu selbstbewusst, finden einige seiner Parteifreunde. Seit der Inhaftierung der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko führt er deren Partei. Der sonst so kommunikative Jazenjuk wird wortkarg, wenn die Sprache auf Timoschenko kommt. Dabei hat er mit ihr in der vergangenen Woche ein vierstündiges Gespräch in ihrer Gefängniszelle geführt. „Wir haben über die weitere Strategie und über unsere Taktik gesprochen“ ist fast alles, was ihm darüber zu entlocken ist. Im Grunde lehnt die Vaterlandspartei jegliche Verhandlungen mit Janukowitsch ab, doch dazu gäbe es derzeit keine Alternative: „Wir können miteinander reden oder uns gegenseitig totschießen“, sagt Jazenjuk.

Nun gab es tatsächlich ein Entgegenkommen der Opposition: Am Sonntagvormittag wurde das Gebäude der Kiewer Stadtverwaltung an die Behörden zurückgegeben. Zuvor hatten der Schweizer Botschafter Christian Schoenenberger und der Kommandant der Oppositionsbewegung, Ruslan Andrejko, einen entsprechenden Übergabe-Akt unterzeichnet. Seit Anfang Dezember hatten Demonstranten das mehrstöckige Haus besetzt gehalten. Jazenjuk kündigte am Sonntag vor den Demonstranten auf dem Maidan die Bildung einer Oppositionsregierung an.

Seit Beginn der politischen Krise in der Ukraine hat Jazenjuk oft mit Präsident Janukowitsch verhandelt. Es gab Gespräche mit den beiden anderen Oppositionspolitikern, dem Anführer der nationalistischen Swoboda, Oleg Tjanibok und mit Boxweltmeister Vitali Klitschko. Das Urteil Jazenjuks fällt vernichtend aus: „Janukowitschs Regierungsstil ähnelt den Zuständen am Kaiserhof in Byzanz.“ Der Präsident sei weder an Entscheidungen noch an Veränderungen interessiert. Das Angebot Janukowitschs, ihn zum Ministerpräsidenten zu machen, habe er ablehnen müssen. „Ich bin nicht käuflich, Mister President!“, sagte er am Sonntag dazu.

Den Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel wird Jazenjuk an diesem Montag zusammen mit Vitali Klitschko absolvieren müssen. Die politische Opposition in der Ukraine beäugt sich nicht erst seit dem Ausbruch der Maidan-Proteste misstrauisch. Doch Jazenjuk ist zu sehr Profi, als dass er ein negatives Wort über einen der drei Oppositionspolitiker verlieren würde. Er beschreibt es anders: „Eine Demokratie lebt von mehreren Parteien, da ist der Wettbewerb vollkommen natürlich.“ Von dem Berlin-Besuch erhofft sich Jazenjuk vor allem eines: „politische Unterstützung“.

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