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Politik: Ordnung musste sein

Ex-Bundesinnenminister Kanther verteidigt sich beim Prozess zu CDU-Schwarzkonten

Eine halbe Stunde lang hört der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer, Rolf Vogel, dem prominenten Angeklagten aufmerksam zu. Dann stellt er Manfred Kanther die Gretchenfrage. Eben hat er erfahren, dass der aufstrebende Unionspolitiker im Jahre 1987 – er ist gerade zum hessischen Finanzminister ernannt worden – die Kontovollmacht für die geheimen Auslandskonten der hessischen CDU aufgegeben hat. „Weil Sie ein schlechtes Gefühl hatten?“, fragt der Gerichtsvorsitzende. Doch der frühere Bundesinnenminister verneint die Frage nach dem schlechten Gewissen. „Eine alltägliche Besorgnis“ sei ihm das geheime Auslandsvermögen nicht gewesen, obwohl er gewusst habe, dass das Geld im Rechenschaftsbericht der Partei hätte ausgewiesen werden müssen.

Eine erfreuliche Erinnerung sei das zwar auch nicht gewesen, doch die Löschung seiner Zeichnungsberechtigung habe er eher als „Ordnungsfaktor“ betrachtet. Auch an diesem zweiten Prozesstag von Schuldbewusstsein keine Spur. Immerhin kommen ihm offenbar erste Zweifel, dass er den konspirativen Geldtransfer in die Schweiz anderen verständlich machen kann, mit dem er, sein Schatzmeister Prinz Sayn-Wittgenstein und Geldbote Horst Weyrauch 1983 den geheimen Auslandsschatz der hessischen CDU begründeten. „Vielleicht kann man das im Nachhinein nur begrenzt nachvollziehen“, sorgt er sich bei der Befragung durch Richter Vogel. Doch dann beschwört er mit Verve die Geister der Vergangenheit, zum Beispiel die „bösartigen Kampagnen“ der Flick-Spendenaffäre. Gönner der konservativen Parteien seien damals „ohne Rücksicht auf die Rechtslage“ ans Kreuz genagelt worden.

Aus Loyalität gegenüber den Spendern der hessischen CDU und um die Partei aus dem „Schlamassel“ herauszuhalten, der durch die 1984 gesetzlich vorgeschriebene Offenlegung des Millionenvermögens zu erwarten gewesen wäre, hätten er und Prinz Wittgenstein 1983 das Geld in die Schweiz schaffen lassen, sagt Kanther. Ob allerdings beim Einsammeln der Spenden immer Rücksicht auf die Rechtslage genommen worden war, diese Frage des Staatsanwalts kann der frühere Bundesinnenminister nicht beantworten. Prinz Wittgenstein und Horst Weyrauch hätten ihm berichtet, dass kein Restsaldo der Staatsbürgerlichen Vereinigungen auf die „Vorkonten“ der hessischen CDU geflossen sei; ausschließen wolle er solche Vorgänge aber nicht, so Kanther am Dienstag. An anderer Stelle wird er – möglicherweise ungewollt – deutlicher: Welcher Teil des Vermögens damals „einem strafrechtlichen Zugriff“ zugänglich gewesen sei, könne er nicht beurteilen.

Vehement wendet sich der Ex-Minister Kanther erneut gegen den Untreuevorwurf der Anklage. „Jederzeit, ausschließlich und sofort“ habe die hessische CDU über das Geld verfügen können; durch gute Anlagestrategien sei das Ursprungsvermögen verdoppelt worden; all das, was die Gremien der Partei hätten finanzieren wollen, sei auch finanziert worden, notfalls durch Rückflüsse und angebliche „Vermächtnisse“.

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