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© dpa

Ort der Erinnerung: „Mahnmal unseres Glücks“

Der Bundestag beschließt die Errichtung eines nationalen Erinnerungsorts für Freiheit und Einheit. Das Mahnmal soll in Berlin gebaut werden. Leipzig wurde abgelehnt. Von den Grünen und Linken gab es ein Nein.

Berlin - Deutschland bekommt ein neues nationales Denkmal. Der Bundestag beschloss am Freitag, dem 18. Jahrestag des Mauerfalls, die Errichtung eines „Freiheits- und Einheitsdenkmals“, das an den friedlichen Aufstand gegen das SED-Regime 1989 und die Einigung 1990 erinnern soll. Für das Denkmal in Berlin stimmten Union, SPD und FDP, Grüne und Linke waren dagegen. Der Antrag einiger sächsischer Abgeordneter für einen weiteren Gedenkort in Leipzig bekam keine Mehrheit (siehe Kasten). In Leipzig waren am 9. Oktober 1989 70 000 Menschen mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ auf die Straße gegangen.

Der SPD-Politiker und frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse plädierte während der Debatte im Bundestag mit Nachdruck für das „Mahnmal unseres historischen Glücks“. Ein Volk könne „vermutlich nicht nur aus seinem Versagen Orientierung gewinnen“, sagte Thierse unter Hinweis auf Gedenkorte wie das Holocaust-Mahnmal. Das neue Denkmal werde ein Zeichen sein, „dass Einheit und Freiheit zusammengehören und zusammenbleiben sollen“. „Seien wir endlich ein gewöhnliches, normales, ein durchschnittliches europäisches Volk!“, rief Thierse. Auch Hans-Joachim Otto (FDP), der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, sprach vom „großen Glück“ der Deutschen, für das das Denkmal stehen werde. Demgegenüber seien „Unterschiede und Probleme nachrangig“, die das Reden über das vereinte Deutschland üblicherweise bestimmten.

Kritik an den Denkmalplänen äußerten Linke und Grüne. Der sächsische Grünen-Abgeordnete Peter Hettlich wandte sich gegen „eilfertige Festlegungen“. Stattdessen müsse es eine gründliche Debatte über das Denkmal geben. Tumultartige Szenen erlebte der Bundestag während und nach der Rede der Linken Lucrezia Jochimsen, die ebenfalls die Eile des parlamentarischen Verfahrens kritisierte: „Schnell, schnell, schnell“ habe es gehen müssen. Auch im Kulturausschuss sei der Antrag rasch „abgestimmt und durchgezogen“ worden, nur um das symbolträchtige Datum 9. November für ein nationales Monument zu nutzen. „Sie merken anscheinend nicht einmal, wie weit Ihr Gebaren vom Geist und der Atmosphäre der runden Tische entfernt ist“, sagte Jochimsen. Der Dresdner FDP-Abgeordnete Jan Mücke antwortete, es sei eine „Unverschämtheit“, dass die SED-Nachfolger das Erbe der Bürgerrechtler für sich vereinnahmten. Thierse sprach von einer „Dreistigkeit“, die ihm den Atem stocken lasse. Zudem sei die Diskussion nicht neu, „es geht also nicht um ein Hauruckverfahren“. Tatsächlich ist die Debatte einige Jahre alt: Die Initiative für ein Einheitsdenkmal, die der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière und frühere Bürgerrechtler in Gang gebracht hatten, war vor sieben Jahren im Bundestag noch gescheitert.

Die rot-rote Koalition in Berlin fühlt sich von der Entscheidung des Bundestags düpiert. Die SPD-Fraktion hätte sich „schon gewünscht, im Vorfeld der Entscheidung einbezogen zu werden“, sagte die kulturpolitische Sprecherin Brigitte Lange. Die schnelle und einsame Entscheidung „spricht jeder demokratischen Kultur Hohn“, sagte der ehemalige Berliner Kultursenator Thomas Flierl (Linke). Friedbert Pflüger, Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus, nannte dies angesichts der Geschichte der Debatte „geradezu einen Scherz“.

Andrea Dernbach

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