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ORTSTERMIN: „Adenauer trage ich in mir“

Am Ende, als die kleine Polit-Show vorbei ist, sagt Stephan Werhahn: „Der Hubert Aiwanger kommt im Bierzelt sehr gut an, das kann ich nicht so.“ Werhahn meint das nicht ironisch.

Am Ende, als die kleine Polit-Show vorbei ist, sagt Stephan Werhahn: „Der Hubert Aiwanger kommt im Bierzelt sehr gut an, das kann ich nicht so.“ Werhahn meint das nicht ironisch. Er findet, „wir ergänzen uns gut“. Diese beiden Männer, um die es hier geht, sind sehr selbstbewusst. Der eine, Hubert Aiwanger, 40, seit Jahren Chef der Freien Wähler (FW), sagt: „Wir sind auf Granit gebaut.“ Der andere, Stephan Werhahn, Finanzexperte, promovierter Philosoph und – das gehört irgendwie dazu – einer von 27 Enkeln Konrad Adenauers, betont: „Es ist für alle eine Win-win-Situation.“ Er meint den Umstand, dass er bundesweit für die Partei antreten wird.

Werhahn, 59, war sein halbes Leben lang CDU-Mitglied, aber nun ist er mit 99 Prozent zum Spitzenkandidaten der FW für die Bundestagswahlen gekürt worden. Zuvor ist er aus Protest gegen die Euro-Rettungsschirmpolitik der Kanzlerin ausgetreten und weil, wie er sagt, „die Union weit weg ist von den Bürgern“. Ja, der Bürger kommt sehr häufig vor an diesem Freitagmorgen nahe dem politischen Machtzentrum dieser Republik. Aber Aiwanger und Werhahn sitzen noch nicht in der Bundespressekonferenz, wo sich die Bundesminister und gelegentlich die Kanzlerin äußern, sie sitzen in einem kleinen Konferenzsaal am Rande, immerhin mit Blick auf den Reichstag, wo sie mit „fünf Prozent plus x“ hineinwollen.

Eigentlich begann die Erfolgsgeschichte der FW in den Kommunen, als sie Arroganz und Allmacht der CSU zum Thema machten und sich für mehr Bürgerrechte einsetzten. Starke Kommunen, Bildung, Stärkung des ländlichen Raums und der bäuerlichen Strukturen sowie der Kampf gegen die „Finanzindustrie“ im Gesundheitswesen und anderswo, wie es Aiwanger formuliert, sind eigentlich die Kernthemen, mit denen man groß wurde.

Aber vor einem Jahr hat sich die Partei entschlossen, gegen die deutsche Europapolitik zu Felde zu ziehen, hat Leute wie den ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel ins Boot geholt, hat Kontakte geknüpft zu Wirtschaftsdenkern wie Hans-Werner Sinn oder Paul Kirchhof, dessen Steuerkonzept man jetzt bewirbt. Und nun hat Aiwanger den Adenauer-Enkel Stephan Werhahn für seine Sache gewonnen, den er, wie er etwas despektierlich sagt, „bundesweit herumschicken“ werde.

Werhahn arbeitet als Partner eines Finanzinvestors, vorher war er bei der Conti-Unternehmensgruppe und bei einer großen Immobilienfirma. Er lebt mit seiner Frau und vier Kindern in München. Seine Kernkritik an Europa lautet: „Es kann nicht sein, dass da irgendeiner aus der Zentrale Geld abschöpft bei dem, der noch Geld hat, und das dann mit dem Füllhorn der sozialen Gerechtigkeit verteilt.“ Sein Ziel: den Euro-Rettungspaketen ein Ende setzen und das Demokratiedefizit ausfüllen. Werhahn und Aiwanger können gut schimpfen und sagen, was alles falsch laufe in Europa. Was wiederum ihr Gegenentwurf, ein „Europa der Bürger“, nun konkret heiße, können beide nicht so gut formulieren.

Bei Werhahn geraten auch die politischen Bilder schief, etwa wenn er sagt: „Die gute Vision von Europa wird zu Tode geritten.“ Erst am Ende, als er ein bisschen persönlicher wird, spürt man bei ihm einen echten Drang zur Bürgerverantwortung. Und einen Hauch von Bescheidenheit. Auf eine Frage zu seinem Großvater antwortet er: „Adenauer trage ich in mir, ich brauche ihn nicht zu vermarkten.“

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