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ORTSTERMIN: Der Kater nach der Euphorie

Anna Sauerbrey beobachtete am Tag nach den Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum das 10. Treffen der Friedensnobelpreisträger im Roten Rathaus.

Von Anna Sauerbrey

Der Rahmen ist festlich, die Namen der Teilnehmer sind illuster und die Medienaufmerksamkeit ist international. Dennoch scheint über dem 10. Treffen der Friedensnobelpreisträger im Roten Rathaus eine gewisse Katerstimmung zu liegen, die nicht nur mit dem grauen Berliner Novemberwetter zu tun hat.

Viele der hochdekorierten Teilnehmer haben noch am Tag zuvor an den Feierlichkeiten zum 9. November teilgenommen, Lech Walesa etwa, Michail Gorbatschow und Muhammad Yunus. Auch am Dienstag, dem ersten Tag des Treffens der Nobelpreisträger, wurde noch einmal die Bedeutung des Mauerfalls für den Weltfrieden diskutiert. Der Mauerfall habe gezeigt, wie unvorhersehbar weltgeschichtliche Ereignisse sein könnten und dass „das Unmögliche möglich ist“, sagte Muhammad Yunus. Doch schon während dieser ersten Sitzung wandten sich die Laureaten einem weiteren Ziel ihres Treffens zu: Den Finger auf verbleibende und neue Wunden der Welt zu legen, auch, wenn sich dabei zwangsläufig posteuphorische Kopfschmerzen einstellen sollten. Die letzten 20 Jahre, das wurde trotz des teils pauschalen Charakters der Appelle deutlich, haben neue, vielfältige und dringliche Probleme geschaffen.

Besondere Aufmerksamkeit lenkten die Friedensnobelpreisträger bereits am ersten Tag ihres Treffens auf die Klimaproblematik. Der Entwurf einer Erklärung, die voraussichtlich am Mittwoch verabschiedet wird, zielt darauf, einen globalen Alarm auszulösen. „Die Zeit für eine schrittweise Reaktion auf den Klimawandel ist uns ausgegangen“, heißt es in der Erklärung, „wir müssen nun zu einem weltweiten Notfallplan übergehen.“ Der Erklärungsentwurf betont auch die Dringlichkeit, auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen ein Abkommen zu schließen. Sollte Kopenhagen scheitern, müssten die Staatschefs sofort zu einem Notfalltreffen zusammenkommen, heißt es in dem Entwurf. Die Kluft zwischen Arm und Reich, das betonten auch verschiedene Redner, werde durch den Klimawandel verstärkt.

Michail Gorbatschow widmete sich in seiner Rede dem schwierigen Verhältnis zwischen Europa und Russland. Anders als Ostdeutschland habe sich Russland nach der Wende nicht ideal entwickelt. Der ehemalige Präsident der Sowjetunion betonte aber: „Die Angst Europas vor Russland ist anachronistisch.“ Gorbatschow forderte eine engere Zusammenarbeit zwischen Russland und der europäischen Union und klarere Leitlinien der Europäer, was für ein Russland sie sich wünschen. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nahm in seinem Grußwort Bezug auf Gorbatschows Rede. „Wir wollen ein starkes, stabiles Russland, einen starken Partner für Europa“, sagte er. Frederik Willem de Klerk wiederum, ehemaliger Präsident von Südafrika, der den Friedensnobelpreis 1993 gemeinsam mit Nelson Mandela erhielt, nannte ethnische und religiöse Konflikte als größte aktuelle Herausforderung. Am Mittwoch wollen die Friedensnobelpreisträger eine „Charta für eine Welt ohne Gewalt“ an Vertreter des im Oktober in Neuseeland gestarteten Friedensmarsches übergeben. Darin fordern sie die Stärkung der UN zur Gewaltprävention, den Bann von Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen, Demokratie und Rechtstaatlichkeit und erneut das Engagement der Nationalstaaten gegen den Klimawandel. Die zentrale Botschaft der Laureaten ist: Es bleibt viel zu tun.

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