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ORTSTERMIN: Frauen machen keine Geschichte

„Machen Männer die Geschichte?“ Das geflügelte Wort – ohne Fragezeichen - stammt von einem, der davon überzeugt war, dem deutschnationalen Historiker Heinrich von Treitschke.

„Machen Männer die Geschichte?“ Das geflügelte Wort – ohne Fragezeichen - stammt von einem, der davon überzeugt war, dem deutschnationalen Historiker Heinrich von Treitschke. Der brachte es nicht nur mit diesem Satz, sondern auch mit einem anderen („Die Juden sind unser Unglück“) als Frontmann des bürgerlichen Antisemitismus im Kaiserreich zu unschöner Berühmtheit. Die Art Männergeschichte, von der gerade Strauss-Kahn kündet, wäre ihm zudem schnuppe gewesen. Aber auch der Deutsche Bundestag scheint davon überzeugt zu sein, dass history nun einmal nicht zufällig nicht herstory heißt: Alle fünf Gedenkstiftungen jedenfalls, die das Parlament seit 1978 einrichtete, sind Männern gewidmet. Was für den ersten Bundeskanzler Adenauer und den ersten Bundespräsidenten Heuss in der Sache wenig verwundert, für die letzten Gründungen freilich schon: Als der Bundestag Friedrich Ebert eine Stiftung spendierte, hatte die Frauenbewegung das Land schon durchpflügt. Der Gründungsakt für die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung und die für Otto von Bismarck fielen 1994 und 1997 bereits mitten in den Postfeminismus.

Die Chefs der fünf Stiftungen können zur Frauenfrage wenig sagen, das ist Sache des Souveräns. Sie trafen sich am Dienstag in Berlin aber zu etwas gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit. Schließlich residiert nur Brandt neuerdings prominent Unter den Linden. Nach Bismarcks Friedrichsruh oder Heuss’ Häuschen am Stadtrand von Stuttgart – „Wüstenrot, gebremste Moderne“, sagt Geschäftsführer Hertfelder – verschlägt es weniger Besucher.

Der Satz von Treitschke freilich sei heute nur noch mit einer Portion Ironie zu vertragen. Die Männer – „natürlich machen sie nicht Geschichte“, sagt Hertfelder. „Wir stellen die Personen in die Geschichte“, ergänzt Walter Mühlhausen von der Heidelberger „Stiftung Reichspräsident Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“. In den fünf Geehrten sieht Hertfelder die Grundströmungen der deutschen Politik gut abgebildet, das Nationale ebenso wie das Demokratische, Liberalismus, Sozialismus oder Konservatismus. Und anders als im Ausland, bei den US-„Presidential Libraries“ für gewesene Präsidenten, garantiere das Geld vom Staat auch kritische Arbeit an den großen Köpfen: „In der Kennedy Library werden sie Marilyn Monroe nicht finden. Bei uns würden sie“, sagt Mühlhausen.

Bleibt die Frauenfrage. Nein, sagen die Stiftungschefs, es gebe bisher keine Initiative zu mehr Gendering im Bundestag. Vielleicht hat man die Sache dort einfach verschlafen? Die Grünen-Spitze erklärt’s politisch: „Inszenierter Personenkult ist nicht unsere Sache“, sagte Parteichefin Claudia Roth dem Tagesspiegel. Eine Wackersdorf- oder Mutlangen-Stiftung zu Ehren der Bürgerbewegungen wäre schöner. Dabei könnten doch die Grünen, die schon für ihre Parteistiftung nach heißen Kämpfen einen Männernamen – Heinrich Böll – wählten, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die erste Frau und eine bisher vernachlässigte Strömung, das Ökologische, das inzwischen ja selbst die CSU erfasst hat. Frau, grün und schon tot: Wie wär’s mit Petra Kelly? mit hmt

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