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Ortstermin: Kleiner Gipfel

Wenn Wunschpartner zusammenkommen, wird jedes Wort als Koalitionsaussage gelesen. Vizekanzler Steinmeier und Grünen-Fraktionschefin Künast loben sich.

Von Hans Monath

Berlin - Die Kanzlerin sitzt in London beim Weltwirtschaftsgipfel, als ihr Herausforderer zu einem etwas kleineren Gipfel auf dem Podium in der Heinrich-Böll-Stiftung Platz nimmt. „London hat den G 20, Berlin den G 2“, frotzelt Hausherr Ralf Fücks, während er Frank-Walter Steinmeier und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast begrüßt. Gekommen ist der SPD-Kanzlerkandidat, um das neue Werk der Grünen („Träume sind mir nicht genug. Was jetzt geschehen muss“) vorzustellen. Der Band sei „ein Buch von jemandem, der ganz ohne Zweifel regieren will“, sagt er.

Wenn Wunschpartner zusammenkommen, wird jedes Wort als Koalitionsaussage gelesen. Die dichte Abfolge von Steinmeier-Auftritten bei Buchvorstellungen mit Beteiligung von FDP- und Grünen-Politikern wirkt wie eine Werbeaktion für die Ampel-Koalition. Die stellt angesichts der Umfragewerte für die SPD die einzig realistische Machtoption dar, in der sie den Kanzler stellt. So gab der Außenminister kürzlich für eine Biografie über FDP-Chef Guido Westerwelle den Lobredner. Auf der Leipziger Buchmesse präsentierte Grünen-Chef Cem Özdemir das biografisch-programmatische Werk Steinmeiers („Mein Deutschland“) und entdeckte viele Anknüpfungspunkte für eine Koalition.

In der Böll-Stiftung macht der Lobredner dann nicht nur in Bezug auf die Biografie Renate Künasts viele Gemeinsamkeiten aus. Auch was politische Ziele angeht, verweist er auf rot-grüne Erfolge der Vergangenheit und gemeinsame Vorstellungen für die Zukunft. Das größte Potenzial für den nächsten Aufschwung, so verkündete er zur Freude der vielen grünen-nahen Zuhörer, liege in der Entwicklung grüner Umwelttechnologie.

Auf den „unsichtbaren Dritten“ im Raum, den Böll-Chef Fücks in Anspielung auf Westerwelle zu spüren meint, nimmt der Kandidat trotzdem Rücksicht. Zwar sei die Distanz der SPD zur FDP in der Wirtschafts- und Finanzpolitik „sogar noch etwas größer“ als zu den Grünen, räumt er ein. Doch habe er aufmerksam verfolgt, dass Westerwelle die Märkte mittlerweile sogar Regeln unterwerfen wolle. „Insofern bewegt sich da was“, kommentiert Steinmeier.

Die Ampel spielt übrigens in Künasts Buch eine prominente Rolle. Allerdings geht es der früheren Verbraucherministerin darin um die Lebensmittelampel, die mit drei Farben Gesundheitsgefahren signalisiert. Das Werk, so sagt Steinmeier, sei besonders gut, „weil es sich gerade den ganz vordergründigen Ampelspielen verweigert“. Künast hört es mit Behagen, auch weil sie Steinmeier nicht für einen Blender hält. Schließlich hat sie den Wunschpartner schon vor dessen Ankunft in der Böll-Stiftung bei den Journalisten ausgiebig gelobt. „Er ist eine richtig ehrliche Haut“, meint sie: „Das ist eine hohe Qualität.“ Hans Monath

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