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Hans-Ulrich Klose ist ein erfahrener Außenpolitiker und kennt die tansatlantischen Wünsche an Deutschland genau.

© dpa/Uncredited

ORTSTERMIN: Probleme mit dem F-Wort

Kanada hat Erwartungen an Deutschland - und wundert sich über die Zurückhaltung, wenn es um transatlantische Verantwortlichkeiten geht.

Da war er wieder, jener Begriff, den Kanadas Botschafter in Berlin kürzlich im Tagespiegel-Interview als „das F-Wort“ der Deutschen bezeichnet hat. Also als unaussprechbare, weil unanständige Vokabel. Was in diesem Falle auf den Begriff „Führung“ gemünzt ist, mit dem sich Deutschland aus Sicht seiner Kritiker unangemessen schwertut, wenn es darum geht, außenpolitisch eine Rolle auszufüllen, die dem gewachsenen politischen Gewicht der Bundesrepublik entspricht. Wie groß das Unverständnis über die gerade in Nordamerika als übertrieben wahrgenommene deutsche Zurückhaltung vor allem bei Militäreinsätzen ist, zeigte sich jetzt bei einer Konferenz in Toronto zum Thema „Quo Vadis, Germany?“, an der neben einer Handvoll deutscher Gäste auch einige der wichtigsten Intellektuellen Kanadas teilnahmen und bei der das „F-Wort“ eine zentrale Rolle spielte.

„Ich verstehe ja die Gründe, wieso ihr so zögert“, sagte der renommierte Zeitungskolumnist und Buchautor Jeffrey Simpson, der Deutschland unter anderem als Europa-Korrespondent der Zeitung „The Globe and Mail“ gut kennengelernt hat. „Aber kommt mal darüber hinweg!“ Faktisch sei Deutschland längst die Führungsmacht Europas. „Die Frage ist nur, wie ihr diese Rolle wahrnehmt.“

Und Konferenzleiter Randall Hansen, Direktor des Center for European Studies (CERES) an der Munk School of Global Affairs der Universität von Toronto, spottete, dass Deutschland sich wohl noch nicht entschieden habe, ob es ein „Bully“ oder ein „Wimp“ sein wolle, also ein Polterer, der wie im Falle der EU-Finanzen anderen Ländern Vorgaben aufzwinge, oder ein Feigling, der sich bei Militäreinsätzen der internationalen Gemeinschaft wie in Libyen oder Mali vor seiner Verantwortung als zentrale Macht Europas drücke.

Damit bekräftigten die Kanadier, was deutsche Vertreter in letzter Zeit immer öfter von transatlantischen Gesprächspartnern zu hören bekommen. So zuletzt auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wo die USA Deutschland aufforderten, seine gewachsene Bedeutung gefälligst auch militärisch wahrzunehmen.

Die deutsche Reaktion auf derartige Kritik am „Paradoxon deutscher Macht“, wie es die „Neue Zürcher Zeitung“ kürzlich nannte, fällt ambivalent aus, wie sich bei der von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der deutschen Botschaft mitorganisierten Konferenz in Toronto zeigte.

Kamingespräche: Eine der Podiumsrunden der Konferenz „Quo Vadis, Germany?“.
Kamingespräche: Eine der Podiumsrunden der Konferenz „Quo Vadis, Germany?“.

© lvt

Einerseits gibt es Stimmen wie die des SPD-Außenpolitikers Hans-Ulrich Klose, der seinen kanadischen Gesprächspartnern zustimmte und konstatierte, es sei an der Zeit für Deutschland, „normal zu werden“. Andererseits warben Diskussionsteilnehmer wie Kloses SPD-Bundestagskollege Manfred Zöllmer um mehr Verständnis dafür, dass man angesichts zweier von Deutschland angezettelter Weltkriege gerade militärisch eben immer noch zurückhaltender agiere.

Aus nordamerikanischer Sicht ist das eine Ausrede: „Die Welt hat Vertrauen in euch gewonnen“, beschwor Kolumnist Simpson die deutschen Gäste. „Wir haben null Angst vor einer deutschen Beteiligung an internationalen Militärmissionen.“ Es sei schlicht inakzeptabel, wenn ein Land einerseits einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fordere, aber dann „Mittagspause macht, wenn es gefordert wird“.

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