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© dpa

ORTSTERMIN: US-Botschafter Murphy - der Infotainer

Ingrid Müller über den ersten öffentlichen Auftritt von US-Botschafter Murphy.

Wenn der neue US-Botschafter Philip D. Murphy so weitermacht, wie er bei seinem ersten größeren öffentlichen Auftritt am Montagabend in Berlin angefangen hat, dann dürfen sich die Deutschen zumindest auf unterhaltsame Jahre freuen. „That’s entertainment“ haben sich wohl die meisten Schüler und Studenten im Senatssaal der Humboldt-Uni gedacht. Nur zaghaft lässt der eine oder andere hinterher in der Fragerunde durchblicken, dass er hinter der Show doch noch eine weitere Ebene vermutet. „Warum brauchen Sie so viele Sicherheitsleute? So viel Hass kommt doch nicht von nichts?“ Dass die Partnerschaft trotz vieler gemeinsamer Interessen nicht immer einfach sein wird, macht Murphy allerdings auch deutlich: Nicht alles ist mit dem Wechsel des Präsidenten Vergangenheit. Doch er setzt auf das offene Wort: „Man ist mit seinem Bruder oder seiner Schwester nicht immer einer Meinung, aber letzten Endes setzt man sich an einen Tisch.“

Am ersten Tag seiner siebten Woche in Berlin bietet Murphy anderthalb Stunden Infotainment, temporeich und symbolgeladen. Nach ersten Freundlichkeiten über die deutsch-amerikanischen Verbindungen schon zu Humboldts Zeiten und deren Modell von Forschung auf Deutsch vom Blatt gelesen, kokettiert er kurz: „Mein Englisch ist nicht gut, aber es ist besser als mein Deutsch“. Dann krempelt er die Ärmel seines hellrosa Hemds auf, lockert den Schlips und startet: „Hat heute jemand Geburtstag?“ und schon trällert er ein Happy Birthday für Martin. Sollte Eis im Saal gewesen sein, spätestens nach ein paar Fragen über Musik und Fußballvereine ist das gebrochen.

„History, Heute, Heroes“ ist Murphys Leitfaden. Schon reckt der 52-jährige Ex-Investmentbanker großformatige Fotos hoch, vom Namensgeber des Marshall-Plans, dem Fall der Mauer, dem 11. September, Irak, Afghanistan – und natürlich Barack Obama an der Siegessäule. Der Mann, den er seinen Freund nennt, ist auch einer seiner Helden, wenngleich er ihn so nicht nennt. Aber er wirbt dafür, ihm Zeit zu lassen, Ziele umzusetzen.

Sein roter Faden: Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist die wichtigste Partnerschaft der vergangenen 60 Jahre. Die sollen jetzt die jungen Menschen weiterentwickeln. Nicht nur im Kleinen, gemeinsam sollen Amerikaner und Deutsche etwas tun für den Fortschritt der Welt, der Menschheit. Den Jungen im Saal widmet er auch sein wichtigstes Bild: Zum Schluss macht er ein Foto von ihnen, seinen Helden von morgen.

Vorher aber spricht er mit vollem Körpereinsatz die Themen an, die gerade wichtig sind und die den Deutschen so am Herzen liegen. Iran, ein „guter Start“ neuer Gespräche, der Klimagipfel in Kopenhagen und die Probleme im US-Senat, sein Held Al Gore und grüne Technologie. Den Tesla-Elektro-Nobecar nennt er einen Traum „Wenn ich 30 Jahre jünger wäre und Single...“ Um ganz nebenbei seine Frau Tammy ganz hinten zu begrüßen und ihr zuzurufen: „Ich brauch’ das Auto nicht, ich hab das Mädchen.“ Murphy redet über die maßlose Debatte über die Gesundheitsreform, die Finanzkrise, Angela Merkels „großartige Ideen“ und sich selbst als Kapitalisten, der gelernt hat. Aber er redet auch über Pakistan und Afghanistan – als gemeinsame Aufgabe. Obgleich er keine Antwort auf die Frage einer Schülerin hat, was Amerika von den Deutschen erwartet, wird dort die vielleicht größte Differenz sichtbar: „George Bush ist nicht mehr Präsident, aber unser strategisches Ziel bleibt, Al Qaida zu besiegen.“ Nato und USA debattierten aber eine Änderung der Taktik. Dann gerät er ins Schwärmen über die Kinder, die in die Schule gehen, die Medizin studieren sollen und dass Deutschland dabei eine Schlüsselrolle spielt.

Mancher ist sich nicht so sicher, ob er sich von Murphy hat einwickeln lassen. Aber die meisten sind beeindruckt. So wie Ahmad Chatle, 20, in Libanon geborener Palästinenser und Abiturient am Weddinger Theodor-Heuss-Gymnasium. Er hatte einen „stocksteifen Politiker“ erwartet. „Aber das war erfrischend und sympatisch.“ Er hofft, dass für ihn wahr wird, was Murphy beschworen hat: Bildung und ein Austauschaufenthalt in den USA. Er und seine Freunde wollen Murphy auch gleich für die Rettung ihrer von Auflösung bedrohten Schule gewinnen.

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