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Gabriel

© dpa

ORTSTERMIN: Von Gletschern, Rohstoffpreisen und Niederlagen

Nach einer Pannenserie sucht Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sein Heil in der Sachlichkeit.

Von Hans Monath

Fast 30 Minuten sind vorüber, als Sigmar Gabriel am Rednerpult auf das heikle Thema zusteuert – und es dann blitzschnell umschifft. Der Wert errneuerbarer Energien sei „anhand der Biospritdebatte in Misskredit geraten“, doziert der Bundesumweltminister am Dienstagabend in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung. Und erwähnt die für ihn so peinliche Niederlage in seinem Vortrag dann kein einziges Mal mehr.

Hinter dem Rücken von Gabriel strahlt die untergehende Sonne leuchtend orange, was dessen Redefreude kein bisschen beeinträchtigt. Vor einer Wand aus Glas und Stahl präsentiert der SPD-Politiker am Dienstagabend einen unterhaltsamen Schnellkurs über „grüne Wirtschaftsmacht“ und ökologische Industriepolitik, in dem auch die Solarenergie eine Rolle spielt. Geladen haben die „Seeheimer“ in der SPD, jener Parteiflügel, dem der Linkskurs von SPD-Chef Kurt Beck ein Gräuel ist und der lieber regiert statt von linken Utopien zu träumen. Die Seeheimer mögen Gabriel und scheinen angetan von der Rede. Der erklärt gerade, Nachaltigkeit sei „kein Blümchenschützerthema von verrückten Ökologen.“

Für den Minister hat der Tag gut angefangen. Am Morgen im Kabinett hat die Kanzlerin seinen Stopp der Biospritverordnung gut geheißen. Gabriels Lieblingsgegner Michael Glos hatte den SPD-Kollegen öffentlich kritisiert. Nun widerspricht der CSU-Wirtschaftsminister mit keinem Wort. Damit haftet gleichsam das ganze Kabinett für die Folgen der Panne, die Gabriel den hämischen Spitznamen „Sigi Flop“ („Bild“) eintrug.

Seit seiner jüngsten Niederlage steht der 48-jährige Redner unter ganz genauer Beobachtung. Gabriels Umtriebigkeit hat ihm den Ruf eines Politikers eingetragen, der nach zweieinhalb Jahren als Minister zwar sein Metier beherrscht, in Wirklichkeit aber nach ganz oben strebt. Schreibt Gabriel im „Spiegel“ über die SPD („Es wird Zeit, wieder zu kämpfen“), sehen Parteilinke darin den Ausdruck seines Machtwillens und nicht einen Debattenbeitrag. So groß ist das Misstrauen, dass der als Führungsreserve gehandelte Gabriel 2007 bei der Wahl zum SPD-Präsidium durchfiel.

Und dann ist da die Pannenserie: Sein Ministerium schlief, als sich Zehntausende teurer Rußpartikelfilter als Schrott erwiesen. Nicht viel Instinkt bewies der als Instinktpolitiker gerühmte Minister, als er einen Regierungsflieger nach Mallorca bestellte. Und auch die Versuche, die Schuld für das Scheitern der Biospritverordnung auf die Autoindustrie abzuwälzen, überzeugten nun nur wenige.

Nur ein Satz über die Biosprit-Panne und nur einer über die Krise der SPD: „Es ist schön, mal wieder über Inhalte sprechen zu können im Rahmen der deutschen Sozialdemokratie.“ Gabriel hält sich dran und spricht über Inhalte, über schmelzende Gletscher, Rohstoffpreise, Kohlekraftwerke. Vielleicht ist die Strategie des Politikers unter Beobachtung, um verlorenes Vertrauen gut zu machen. Doch selbst wenn Gabriel sein Amt demütig bis zum letzten Tag ausübt: Der Verdacht, er wolle eigentlich lieber Fraktionschef oder gar Höheres werden, wird ihn weiter verfolgen. Hans Monath

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