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Oskar Lafontaine: Familienkrach in der Linken

Wie konservativ darf sozialistische Politik sein? Die Partei streitet über Lafontaine und seine Frau.

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Der Vormittag sollte für Oskar Lafontaine der nettere Teil des Tages werden. Er kam zum Gründungsparteitag der hessischen Linken nach Frankfurt, sprach und ließ sich feiern. Das Ziel: Der Einzug der Partei in den Hessischen Landtag im Januar nächsten Jahres werde „der Durchbruch für die ganze Republik“, rief der Partei- und Fraktionschef den Delegierten zu, die am Vortag den Zusammenschluss von WASG und PDS in Hessen besiegelt hatten. Es folgte die übliche Kritik an „den etablierten Parteien“. Die Politik der SPD sei Verrat an tausenden Mitgliedern der Partei, deren Vorsitzender er einmal gewesen ist.

Kein Wort zum Streit über die Krippenplätze und die Position seiner Ehefrau Christa Müller, die auch Mütter mit Staatsgeld fördern möchte, die wegen der Kindererziehung auf eine Berufstätigkeit verzichten. Es war an der Vorsitzenden der SPD-Frauen in Hessen, Ulli Nissen, Lafontaine an diesen Streit zu erinnern. Sie übergab ihrem ehemaligen Parteigenossen eine symbolische „Herdprämie“ für „ein völlig überholtes Frauenbild“. Die rot gerahmte Urkunde, der Spielzeugherd nebst blonder Barbie-Puppe blieben achtlos auf Lafontaines Platz liegen, als er in Richtung Berlin aufbrach. Die angekündigte Diskussion wurde abgesagt, Zeit nahm sich Lafontaine allerdings gern, um dem Mundharmonikasolo des 68-jährigen Günther Nowakowski zu lauschen. Der ehemalige Bergmann aus der Zeche Lohberg in Dinslaken spielte für den Saarländer das Steigerlied, am Ende reckte er die Faust und ließ die internationale Solidarität hochleben.

Erst als Lafontaine gegangen ist, stellt sich die Vorsitzende des feministischen Arbeitskreises der hessischen Linken im Streit um die Familienpolitik „voll und ganz hinter die Bundestagsfraktion“ und bezieht damit gegen Lafontaine und seine Ehefrau Stellung. Am Rande des Parteitages gibt auch Wolfgang Gehrcke, der für Hessen im Bundestag sitzt, zu, dass Christa Müllers Positionen völlig veraltet und in der Partei nicht mehrheitsfähig seien. „Wir wollen nicht Prämien für Mütter, die zu Hause bleiben.“

Als Lafontaine dann am Nachmittag zur Sitzung des Parteivorstandes nach Berlin kommt, trifft er auf Genossen, die sich für die Auseinandersetzung mit ihm gerüstet haben. In den Tagungsunterlagen liegt nicht nur die Vorlage für eine Kita-Kampagne, um öffentlichkeitswirksam für kostenlose, öffentliche, steuerfinanzierte Kindertagesstätten für alle Altersgruppen zu werben. Parteivize Katina Schubert hat zudem mit mehreren Parteifreundinnen den Entwurf einer „Positionsbestimmung der Linken zur Gleichstellungs- und Familienpolitik“ verfasst. Die hat so gar nichts mit den Positionen von Lafontaine, Müller und den Saar-Linken zu tun. Die Frauenbewegung sei eine der politischen Wurzeln der Linken, heißt es. Und: Die frühkindliche Bildung als Recht des Kindes müsse „fester Bestandteil unseres Verständnisses von sozialer Gerechtigkeit und Selbstbestimmung sein“. Kindern will die Linke demnach einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung vom ersten Lebensjahr an geben – das bedinge den flächendeckenden Ausbau der Einrichtungen vor allem im Westen.

Es ist der erste ernste Streit von Lafontaine mit seiner Partei seit seiner Wahl zum Vorsitzenden. Sein Kochef Lothar Bisky ist bemüht, dass daraus nicht ein Grundsatzstreit um die Person des neuen Vorsitzenden wird. Es gehe nicht um Lafontaines familienpolitische Ansichten, sagt Bisky vor der Sitzung. Die Bundestagsfraktion habe eine „vernünftige Position“ erarbeitet, diese habe „auch weiterhin Gültigkeit und Substanz“. Der Westbeauftragte des Parteivorstandes, Ulrich Maurer, hat gewisse Schwierigkeiten nur mit den Ansichten Christa Müllers, Lafontaine nimmt er in Schutz. „Die Sippenhaft ist nicht emanzipatorisch“, sagt Maurer. Aber er weiß, dass vor allem viele seiner Genossinnen längst auch ein Problem Lafontaine sehen.

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