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Politik: „Oskar, wir brauchen dich“

Saarlands SPD jubelt ihrem Ex-Chef Lafontaine wieder zu – nimmt der jetzt auch Anlauf für den Bund?

Von Markus Feldenkirchen

und Volker Hildisch

Zwei Zahlen, ein Krieg und ein Möchtegern-Heilsbringer. Die SPD ist laut aktueller Umfrage so tief in der Bürgergunst gesunken wie zu keinem anderen Zeitpunkt seit der sozialdemokratischen Machtübernahme im Herbst 1998. Und auch die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist die höchste seit Schröders Amtsantritt vor fünf Jahren. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Oskar Lafontaine genau in dieser historischen Stunde sein Comeback auf die politische Bühne vollzieht. Vorerst drängt er sich zwar nur in die saarländische Landespolitik, wo er seiner Partei bei den Landtagswahlen 2004 durch tatkräftige Hilfe zum Machtwechsel verhelfen will. Aber wer weiß? In der SPD jedenfalls trauen sie Lafontaine seit dessen panikartiger Flucht aus dem Finanzministerium und dem Parteivorsitz im März 1999 so ziemlich alles zu. Nur nicht immer Gutes.

Lafontaines Comeback begann am Freitagabend dort, wo auch sein rasanter Aufstieg in die Bundespolitik seinen Anfang genommen hatte. Dort, in Saarbrücken, haben die meisten Genossen ihn – anders als in Berlin – nach wie vor gern. Auf dem Neujahrsempfang der Saarbrücker SPD schenkten ihm die 700 Besucher einen langen, warmen Beifall und aufmunternde Sätze wie „Wir brauchen Dich, Oskar!“.

Und Lafontaine gab sich bescheiden. Er machte klar, dass er mit dem Angebot seiner Hilfe nicht gegen den SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas agieren wolle. „Es geht nicht um Maas oder Lafontaine. Es geht um Maas mit Lafontaine." Damit versuchte Lafontaine, Irritationen zu beseitigen. Denn die Einladung der SPD-Stadtratsfraktion an Lafontaine als Hauptredner war mit der SPD-Führung nicht abgesprochen und hatte zu teilweise heftiger Kritik in der Partei geführt. Einige sahen darin eine Schwächung des Landesvorsitzenden Maas. Der sah sich schließlich gezwungen, den Auftritt Lafontaines mit den Worten zu kommentieren, die Isolation des ehemaligen Bundesvorsitzenden müsse aufhören.

Viele Gewerkschafter und alte Genossen waren zu dem Neujahrsempfang gekommen – mehr als üblich. Auch der suspendierte Oberbürgermeister Hajo Hoffmann wurde mit lautem Beifall bedacht. Und sie feierten ihren „Oskar“ fast wie zu alten Zeiten. Nur fünf Einladungen waren mit dem ausdrücklichen Hinweis auf Lafontaine zurückgegeben worden, dafür forderten rund 50 eine zusätzliche Einladung an. Lafontaine setzte sich in seiner Rede vornehmlich mit der Landespolitik, der kulturellen Identität und der Tradition des Saarlandes auseinander. Ein Vorgeschmack auf den kommenden Wahlkampf, in dem die regierende CDU von Ministerpräsident Peter Müller ihr Modell vom „Aufsteigerland Saarland“ zur Abstimmung stellen wird.

Im Gegensatz zu seinen oft schröderfeindlichen „Bild“-Kolumnen, leistet sich Lafontaine diesmal nur wenige Ausflüge in die Bundespolitik. So kritisierte er die niedrige Steuerquote als finanzielle Geißel für Länder und Kommunen mit den Worten: „Öffentliche Armut können sich nur die Reichen leisten“. In der Frage des Irak-Kriegs stellte Lafontaine sich ausdrücklich dafür hinter die Position der Bundesregierung und forderte, dass die UN keine Kriege führen dürfe.

Lafontaine bot den Genossen damit das, was viele von ihm erwartet hatten: Endlich einmal wirkte er nicht als Nestbeschmutzer per, sondern konzentrierte sich vor allem darauf, den politischen Gegner zu attackieren. Der Juso-Vorsitzende Michael Clivot, der vor dem Auftritt Lafontaines noch skeptisch war, wie sich seine Rückkehr auf das Machtgefüge in der Saar-SPD auswirken würde, zeigte sich danach begeistert: „Das war Klasse.“

Doch wie der Landesvorstand Lafontaine jetzt einbindet, das ist nach wie vor offen. Dass er Lafontaines Hilfsangebot auf der Klausursitzung am nächsten Wochenende nach diesem bejubelten Auftritt im Festsaal des Saarbrücker Rathauses noch abschlagen kann, ist fraglich. Und dann? Wäre die Rückkehr in die Landespolitik nur der erste Schritt für Lafontaine, dem das Dasein als Polit-Pensionär offenbar immer langweiliger wird?

Wer die Reaktionen der sozialdemokratischen Bundesprominenz am Tag nach Lafontaines Comeback verfolgt, merkt schnell, dass eine Rückkehr Lafontaines so wahrscheinlich ist wie die Wiedergeburt Willy Brandts. Am schönsten freilich formuliert es der SPD-Fraktionschef, Franz Müntefering, dessen Groll auf den früheren Weggefährten Lafontaine repräsentativ ist für eine gewaltige Mehrheit in der Partei: „Wenn Oskar Lafontaine der SPD wirklich wieder helfen will, gibt es dazu eine Möglichkeit: er muss ganz einfach in der Öffentlichkeit den Mund halten“, sagte Müntefering. Ähnlich beißend hat das zu Wochenbeginn schon der Generalsekretär Olaf Scholz gesagt.

So sehen es die meisten in der SPD. Auch wenn die Springer-Presse, Lafontaines bester Brötchengeber, Schützenhilfe leisten will und trompetet, „führende SPD-Politiker“ hätten sich für Lafontaines Rückkehr in die Bundespolitik ausgesprochen. Doch die führenden Politiker beschränken sich am Ende auf den Fraktionsvize Ludwig Stiegler und das Vorstandsmitglied Hermann Scheer. Und auf einen gewissen Rainer Tabillion, den Generalsekretär der Saar-SPD.

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