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Ost-Kritik: Schröder: Schönbohm beleidigt Ostdeutsche

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm für seine umstrittenen Äußerungen zu Gewaltursachen in Ostdeutschland kritisiert. Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei weist Schönbohm unterdessen scharf zurück.

Berlin (05.08.2005, 16:00 Uhr) - Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sieht in seinen umstrittenen Äußerungen zu den Gewaltursachen in Ostdeutschland keinen Grund für einen Rücktritt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) warf Schönbohm vor, «die Menschen im Osten zu beleidigen». Die Union muss nach Ansicht des Potsdamer Politologen Jürgen Dittberner jetzt Stimmeneinbußen im Osten bei der Bundestagswahl befürchten. «Man hat Angst, dass Schönbohm der CDU den Wahlkampf im Osten vermasselt», sagte Dittberner am Freitag.

Die Aussagen zeigten, dass Schönbohm mit seiner «Pseudo- Soziologie» nicht in der Lage sei, «historische Prozesse richtig einzuordnen», sagte Schröder. Dies habe der brandenburgische Innenminister «bereits wiederholt an den Tag gelegt». Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte die CDU auf, Schönbohm «aus dem Verkehr» zu ziehen. Seine Äußerungen zu den Gewaltursachen in Ostdeutschland diffamierten ganze Bevölkerungsgruppen. Auch die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, kritisierte Brandenburgs Innenminister für seine Aussagen.

Schönbohm hatte nach dem Fund von neun Babyleichen in Brieskow- Finkenheerd eine «erzwungene Proletarisierung» zu DDR- Zeiten mit Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft im Osten für dieses Verbrechen mitverantwortlich gemacht. Später hatte er sich teilweise entschuldigt. An der inhaltlichen Kritik am SED-Regime der DDR hatte er festgehalten.

Schönbohm sagte: «Es fordern Leute meinen Rücktritt, deren Namen ich bisher nicht kannte - sie kommen so in die Zeitung.» Eine indirekte Rücktrittsforderung des Verkehrsministers aus Sachsen- Anhalt, Karl-Heinz Daehre (CDU), wies Brandenburgs CDU- Generalsekretär Petke zurück: «Der ist mit den Straßen in Sachsen- Anhalt vollkommen ausgelastet.» Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sprach sich gegen einen Rücktritt aus. «Schließlich hat sich Schönbohm dafür entschuldigt», sagte Böhmer.

Professor Dittberner sagte, die Gefahr für die CDU bestehe darin, dass Schönbohms Thesen als Anti-Ost-Position verstanden würden. In der Situation, in der «Schönbohm auch ein bundespolitisches Amt anstrebt», habe er zu offen und ehrlich gehandelt, sagte Dittberner. «Dass alle jetzt über ihn herfallen, ist das politische Geschäft. Das hätte er wissen müssen.»

«Das Risiko eines Kindes, bis zum Alter von sechs Jahren von seinen Eltern getötet zu werden, ist im Osten drei bis vier Mal höher als im Westen», sagte der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, der in Dortmund erscheinenden Zeitung «Ruhr Nachrichten» (Freitag). Dass jedoch die Wertevermittlung im SED-Regime der ausschlaggebende Faktor für diesen Unterschied ist, sei nicht belegt, sagte er.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte am Donnerstag erklärt, er wolle an Schönbohm festhalten: «Einen Fehler hat jeder frei.»

Die toten Säuglinge waren am vergangenen Sonntag entdeckt worden. Als Täterin steht die 39 Jahre alte Mutter unter Verdacht. (tso)

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