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Politik: Ostdeutsche Verbände intervenieren bei den Vereinten Nationen gegen Auszeichnung des "Arbeitslosen-Anwalts" Dietrich Fischer

Eine Auszeichnung der Vereinten Nationen für den stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitslosenverbandes Brandenburg, Dietrich Fischer, hat in Ostdeutschland eine neue Stasi-Debatte ausgelöst. Nachdem bekannt geworden war, dass der in New York geehrte Professor jahrelang für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen war, fordern Opferverbände nun die Aberkennung des Preises.

Eine Auszeichnung der Vereinten Nationen für den stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitslosenverbandes Brandenburg, Dietrich Fischer, hat in Ostdeutschland eine neue Stasi-Debatte ausgelöst. Nachdem bekannt geworden war, dass der in New York geehrte Professor jahrelang für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen war, fordern Opferverbände nun die Aberkennung des Preises. Fischer war am 8. September von UN-Generalsekretär Kofi Annan für sein Engagement gegen die Armut gewürdigt worden. Acht Tage später hatten ihn Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und die damalige Sozialministerin Regine Hildebrandt (beide SPD) in Potsdam empfangen.

In einem Protestbrief an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) forderten sechs Opfergruppen am Dienstag, die Ehrung rückgängig zu machen. In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, drückten sie ihre "Bestürzung" über die Preisverleihung aus. Eine Aberkennung sei sowohl gegenüber den Opfern von Menschenrechtsverletzungen geboten, als auch, um den Kampf gegen Armut nicht zu diskreditieren, hieß es. Frieder Weiße vom Selbsthilfeverein "Phönix" sagte auf Nachfrage: "Auszeichnungen, die auf Täuschungen beruhen, dürfen keinen Bestand haben."

Fischer habe seine Biografie gegenüber den Vereinten Nationen absichtlich verfälscht. Nach Informationen der Gauck-Behörde war der umstrittene Preisträger bis 1990 an der Stasi-Hochschule in Golm tätig gewesen. Als dortiger Oberst Professor Dr. Ernst Dieter Fischer hatte er die Lehrstühle für "Politisch-Ideologische Diversion" und "Politische Untergrundtätigkeit" inne. An der Universität, die unter dem Tarnnamen "Juristische Hochschule Potsdam" firmierte, promovierten zahlreiche Kader des Ministeriums für Staatssicherheit. Fischer hatte seine Vergangenheit allerdings nach der Wende verschwiegen. Der 61-Jährige bezeichnete sich selbst als Soziologe und beklagte in einem Lebenslauf, er sei 1990 "abgewickelt" worden. Diese Darstellung wurde von der UN und der Brandenburgischen Staatskanzlei offenbar akzeptiert - trotz eines fehlenden soziologischen Lehrstuhls in Potsdam.

Stolpes Regierungssprecher Erhard Thomas bekräftigte gegenüber dem Tagesspiegel, dass man nichts von Fischers Vergangenheit gewusst habe. Trotz des "bedauerlichen Einzelfalls" halte die Landesregierung die Arbeit des Vereins für "wichtig und gut". In Brandenburg genoss Fischer als Vorsitzender des Bildungswerks Brandenburg e.V. und als Vizechef des Arbeitslosenverbandes hohes Ansehen. Am 31. März 1990 hatte er gemeinsam mit Klaus Grehn, der inzwischen als Stasi-IM enttarnt wurde und für die PDS im Bundestag sitzt, den Arbeitslosenverband der DDR gegründet. Fischer war maßgeblich am Aufbau der Schuldnerberatung für sozial bedürftige Personen beteiligt und wurde in der Lokalpresse als "Anwalt der Arbeitslosen" gefeiert.

Die Zentrale des UN-Entwicklungsprogramms UNDP in Genf sah daher keinen Grund, dem MfS-Oberst die Auszeichnung vorzuenthalten. Pressesprecherin Daniela Bagozzi betonte, man sei über Fischers Herkunft nicht unterrichtet worden: "Bei einer solchen Information hätten wir ihn nicht als Kandidat vorgeschlagen." Über eine Rücknahme des Preises müsse jedoch in New York entschieden werden, so Bagozzi.

Die Opferverbände wollen weiter gegen die Ehrung vorgehen. Zudem fordern sie eine Überprüfung aller Mitarbeiter des Arbeitslosenverbandes. "Es kann nicht sein, dass ein Stasi-Verein politikfähig wird", meinte Hans Schwenke vom Bund der stalinistisch Verfolgten Berlin-Brandenburg. Der Arbeitslosenverband selbst sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. Geschäftsführer Günter Donner bekräftigte, dass alle Vereinsmitglieder "auf dem Boden des Grundgesetzes" stehen. Für weitergehende Stellungnahmen verwies er auf eine Presseerklärung des Verbandes. In dem 14-zeiligen Schreiben bekundet der Vorstand seinen Stolz über Fischers Auszeichnung. Bezüglich dessen Vergangenheit heißt es lapidar: "Wir weisen jegliche Diskriminierung und Vorverurteilung zurück."

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