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Politik: Ostdeutscher Kurort zittert vor touristischem Super-GAU

Die "Queen of Arendsee" liegt fest vertäut im Winterschlaf. Erst vom Mai an soll der alte Schaufelraddampfer wieder Touristen und Kurgäste über den See schippern.

Die "Queen of Arendsee" liegt fest vertäut im Winterschlaf. Erst vom Mai an soll der alte Schaufelraddampfer wieder Touristen und Kurgäste über den See schippern. Aber die könnten jetzt ausbleiben, befürchtet man im Ort. Denn die kleine Stadt in der Altmark soll Umschlagplatz für Castor-Behälter werden. Die Nuklear Cargo Service GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn AG, hat beim Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung beantragt, Castorbehälter per Bahn nach Arendsee zu bringen, sie dort auf Lkw umzuladen und von Arendsee weiter ins etwa 30 Kilometer entfernte Gorleben zu bringen. In der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague warten sechs Castorbehälter mit verglasten, hoch radioaktiven Abfällen auf den Transport nach Gorleben. "Für Arendsee wäre das der Super-GAU", fürchtet der Hotelier Burghard Bannier, Vorstandsmitglied im Fremdenverkehrsverband Altmark. "Und zwar auch dann, wenn die Transporte unfallfrei bleiben."

Noch bis vor wenigen Wochen hatten Bürger und Kommunalpolitiker ausgesprochen optimistisch in die Zukunft geblickt. Denn als Kur- und Erholungsort genießt die kleine Stadt einen guten Ruf, kann sich bereits über einen bescheidenen Aufschwung freuen. "15 Prozent Zuwachs hatten wir allein in den vergangenen beiden Jahren bei den Übernachtungen", freut sich Bannier. Und dieser Trend sollte weiter gehen, waren sich die Bürger von Arendsee stets einig. Zumal erst kürzlich eine unterirdische Solequelle entdeckt worden ist, die weitere Prosperität verspricht. Mit der Ausbeutung der Quelle, deren Heilwirkung Gutachten zu Folge besser sein soll als die des Wassers im Toten Meer, will Arendsee nämlich zum Heilbad avancieren. Das Wirtschaftsministerium in Magdeburg hat bereits die Fördermittel für den Bau eines Kur- und Heilbades bewilligt, aber die Millionen aus der Landeshauptstadt könnten sich als zum Fenster hinaus geworfenes Geld entpuppen.

Brücke muss repariert werden

Die Nuklear Cargo Service hat ihren Antrag beim Bundesamt für Strahlenschutz zwar damit begründet, dass die bisher genutzte Transportstrecke über Dannenberg ins Zwischenlager Gorleben derzeit nicht genutzt werden kann, weil eine Brücke bei Dannenberg stark sanierungsbedürftig ist. Auch die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Undine Kurth, hält diese Begründung für vorgeschoben. "Die wollen vermutlich nur ausprobieren, ob sich solche Transporte durch Ostdeutschland mit weniger Widerstand durchziehen lassen als im Westen", meint sie.

Der geplante Transport sei eine massive Verletzung der öffentlichen Interessen der Region, so Undine Kurth weiter. "Im Falle eines Unfalls verfügt der Landkreis Salzwedel über keinerlei geeigneten Katastrophenschutzkräfte und wäre auf die völlig überforderten und gegen radioaktive Strahlung ungeschützten Ortsfeuerwehren angewiesen."

Bislang nur eine Ferkeltaxe

In Arendsee selbst mochte man die Pläne anfangs nicht einmal richtig ernst nehmen. "Als ich von den Plänen hörte, dachte ich erst, man will mich veralbern", sagt Hotelier Bannier. Denn großen Bahnhof gab es hier nie. Nach Arendsee fuhr bislang nur ein Triebwagen. Mehr können die Gleise kaum tragen, hieß es bislang. Diese so genannte "Ferkeltaxe" verbindet den beschaulichen Kurort mit der Kreisstadt Salzwedel und dem brandenburgischen Wittenberge, wo die schnelleren Züge halten. "Die Gleise hier sind so schlecht, dass schon zu DDR-Zeiten Güterwaggons mit Ziegelsteinen in den Nachbarorten teilentladen werden mussten, weil sie für unsere Schienen zu schwer waren." Und jetzt Castor-Transporte mit einem Gewicht von über 150 Tonnen je Castor? Für Bannier unmöglich.

Sorgen machen die Transportpläne der DB-Tochter auch Innenminister Manfred Püchel (SPD), der die Transporte polizeilich absichern müsste. "Die Transportstrecke zwischen Arendsee und Gorleben ist 30 Kilometer lang und führt größtenteils durch Waldgebiet", sagt er. Das lasse sich kaum absichern, auch mit noch so vielen Hundertschaften nicht. Sicherheitsexperten seines Hauses witzeln inzwischen darüber, dass die polizeiliche Absicherung von Castor-Transporten auf dieser Strecke "etwa den Schwierigkeitsgrad der Ardennen-Offensive" habe. Unterdessen machen Atomkraft- und Endlagergegner schon bundesweit mobil, denn die ersten Transporte können schon in wenigen Wochen Richtung Arendsee rollen. Die "Queen of Arendsee" dümpelt an ihrem Steg unruhigen Zeiten entgegen.

Eberhard Löblich

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