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Makrelen in Verteidigungsposition. So verwirrt der Schwarm Räuber - aber das rettet sie nicht alle. Die Chancen zum Überleben für das einzelne Individuum steigen aber.

© Swann / SPL / Ag.Focus

Ozeane: Welche Zukunft haben die Meere?

Kleine Inselstaaten haben im Klimawandel zwar schlechte Überlebenschancen – aber Zugriff auf Bodenschätze der Tiefsee. Die Hoffnung auf den Reichtum vom Meeresgrund löst allerdings auch Konflikte aus. Die Meere stehen unter vielfältigem Druck. Große Probleme sind die Überfischung und der Müll im Meer.

Zu warm, zu hoch, zu sauer. So hat der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltvorsorge (WBGU) vor fast sieben Jahren den Zustand der Meere zusammengefasst. Wenn er in diesem Jahr ein weiteres Meeresgutachten vorlegen wird, gilt diese Beschreibung immer noch – mit drei Ergänzungen: zu leer gefischt, zu sauerstoffarm und zu ressourcenreich. Die Ozeane der Welt mit all ihren Bodenschätzen sind ein „Erbe der Menschheit“. Das haben die Vereinten Nationen schon 1970 beschlossen. Aber jeder will etwas davon abhaben. Die Fischereiflotten Chinas, Japans, Perus, Chiles oder der Europäischen Union fischen nicht nur die Küstengewässer ab, sondern setzen ihre Schleppnetze oder Langleinen längst auch in der Tiefsee ein, außerhalb der 200-Meilen-Zonen, auf die Küstenländer Zugriff haben. Dazu kommt die Ölförderung in immer tieferen Meeresgebieten vor den Küsten vor allem des Atlantiks, im Golf von Mexiko, wo die Tiefseeförderung schon in den 50er Jahren begann, vor Brasilien in Tiefen bis zu 4000 Metern, oder vor Angola, wo das „schwarze Gold“ aus 3000 Metern Tiefe gefördert wird. Der Klimawandel lässt die Meeresspiegel weltweit steigen, das Kohlendioxid versauert das Wasser mit dem Ergebnis, dass beispielsweise Korallenriffe nicht mehr wachsen oder sogar absterben. Damit nicht genug, werden die Meere als Fördergebiete für Tiefseeminen immer interessanter. Und in Küstennähe werden immer mehr Offshore-Windparks gebaut. Die Bemühungen um die Schaffung von Meeresschutzgebieten bilden dazu nur ein schwaches Gegengewicht.

Der Run auf die Tiefsee
1873, ein Jahr nach dem Beginn einer vierjährigen Expedition des britischen Forschungsschiffes H.M.S. Challenger, hat die Besatzung des Schiffes in etwa 1500 Metern Tiefe Manganknollen entdeckt. Die kartoffelförmigen mineralhaltigen Steine enthalten neben dem Mangan auch Eisen, Kupfer sowie verschiedene Hightech-Metalle, sogenannte Seltene Erden. Als in den 1960er Jahren der Bedarf vor allem nach Kupfer zunahm und die Rohstoffpreise stiegen, rückten die Manganknollen erstmals ins Blickfeld der Bergbaufirmen. Warum es bis heute keine wirtschaftliche Förderung von Manganknollen oder Kobalt-Eisen-Mangankrusten gibt, die sich auf unterseeischen Bergen ablagern, hat ein humorvoller UN-Beamter 1998 zum Internationalen Jahr der Meere so zusammengefasst: „Tiefseebergbau lässt sich mit folgendem Bild vergleichen. Jemand steht an einem windigen Tag auf der Spitze eines New Yorker Wolkenkratzers und versucht mit einem Staubsauger, der an einen langen Schlauch angeschlossen ist, Murmeln von der Straße zu saugen.“ Und dann sanken die Rohstoffpreise erst einmal wieder – und damit auch das Interesse.
An der Analyse des Beamten hat sich bis heute praktisch nicht allzu viel verändert. Es gibt nach wie vor kein erprobtes Abbauverfahren. Die technischen Herausforderungen sind weiterhin enorm. Schließlich muss in 1000 bis 4500 Metern Tiefe unter hohem Druck, ohne Licht und bei Temperaturen um die zwei Grad Celsius gearbeitet werden. Dafür haben inzwischen allerdings Öl- und Gaskonzerne bereits technische Lösungen gefunden, deshalb erwarten auch die Bergbauunternehmen demnächst den Durchbruch. Das erste kommerzielle Tiefseebergbauprojekt der kanadischen Firma Nautilus etwa 30 Kilometer vor Papua-Neuguinea ist allerdings im vergangenen Dezember wegen eines Streits über die Finanzierung zunächst einmal zum Erliegen gekommen. Nautilus wollte bis zu zehn Tonnen Gold und mehr als 100 000 Tonnen Kupfer aus einem Gebiet sogenannter „Schwarzer Raucher“ fördern. Das sind schwefelhaltige Öffnungen, die durch das Zusammentreffen von säurehaltigem heißem Wasser auf kaltes Wasser Mineralien aus den Gesteinen lösen. Die „Schwarzen Raucher“ sehen aus wie Mini-Vulkane am Meeresgrund. Allerdings hat das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) bei seinen Forschungen festgestellt, dass ein großer Teil dieses mineralischen Materials sich nicht direkt an den „Schwarzen Rauchern“ ablagert sondern sich auf dem Meeresboden verteilt, „und für den Bergbau nicht zur Verfügung“ stehe.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat im Auftrag der Bundesregierung 2006 einen Vertrag mit der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) der Vereinten Nationen, die ihren Sitz seit 1994 in Jamaika hat, abgeschlossen. Das deutsche Lizenzgebiet liegt zwischen Hawaii und Mexiko und ist nach Angaben der BGR etwa so groß wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen zusammen – 75 000 Quadratkilometer im Osten des „Manganknollengürtels“. Weitere elf Staaten haben solche Lizenzen erworben, darunter sind China und Indien. 15 Jahre lang kann Deutschland das Gebiet erforschen und Daten für eine mögliche Förderung der Mineralien sammeln. Ein Ergebnis der Forschungsfahrten ist nach Angaben der Umweltorganisation WWF, dass sich dort eine Vielzahl von Tierarten findet, die den Biologen des Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung in Wilhelmshaven noch völlig unbekannt waren.

Der rechtliche Rahmen

165 Staaten haben inzwischen die UN-Konvention zum Meeresrecht (Unclos) ratifiziert. Die USA gehören als einer der wenigen Staaten nicht zu den Zeichnern der Konvention. Die erste Konferenz über das globale Fischereimanagement, die Frage, wie groß die Zugriffszonen der Küstenstaaten sein dürften, und wer die Kontinentalsockel nutzen darf, fand schon 1956 statt. Der Anlass war die sogenannte Truman-Deklaration. Der damalige amerikanische Präsident dehnte den Rechtsrahmen über die natürlichen Ressourcen auf den Kontinentalsockel aus. Von 1946 bis 1950 vergrößterten Argentinien, Chile, Peru und Ecuador ihre Ausschließlichen Wirtschaftszonen auf 200 Seemeilen – sie wollten sich so den Zugriff auf die lukrativen Fischschwärme sichern, die entlang der Humboldt-Strömung vorkamen.

1960 fand die zweite Unclos-Konferenz statt, ohne neue Ergebnisse zu bringen. Von 1973 bis 1982 handelten Diplomaten aus 160 Ländern zäh die Internationale Seerechtskonvention aus, die 1994 in Kraft tritt. Dieser Vertrag enthält bedeutende Regelungen: Die hohe See wird endgültig zum „Erbe der Menschheit“ erklärt. Wer für die Ausbeutung von nicht lebenden Ressourcen – also kein Fisch – bei der IMB Lizenzen erwirbt, muss einen Teil der Gewinne abtreten. Diese Mittel sollen den am wenigsten entwickelten und landumschlossenen Entwicklungsländern zukommen. Außerdem wird die 200-Meilen-Zone als allgemein gültige Grenze nationaler Gerichtsbarkeit festgelegt. Allerdings kann diese Grenze auf bis zu 350 Meilen ausgedehnt werden, wenn Küstenstaaten der Kommission über die Grenzen der Kontinentalsockel (CLCS) entsprechend der Unclos-Definition ihre Ansprüche darlegen können und diese genehmigt werden. 53 Länder haben inzwischen solche Anträge gestellt, weitere 45 bereiten sie vor.

Die geostrategischen Folgen
Der neue Wettlauf um Ressourcen in der Tiefsee verändert insbesondere im Pazifik die politischen Gewichte. Dort liegen viele der kleinen Inselstaaten, die unter dem Klimawandel besonders leiden. Sie müssen damit rechnen, dass ihr Staatsgebiet wegen des steigenden Meeresspiegels zunächst unbewohnbar und schließlich womöglich sogar komplett überflutet werden könnte. Doch wenn sie mit ihren Anträgen an die CLCS Erfolg haben, werden diese womöglich noch in diesem Jahrhundert landlosen Staaten über beträchtliche Lizenzgebiete für den Fischfang und den Tiefseebergbau verfügen. Schon jetzt haben Firmen Interesse daran, mit Papua-Neuguinea, oder den Cook-Inseln, mit Kiribati oder Fidschi Lizenzverträge auszuhandeln.

Die vermuteten Reichtümer unter dem Meeresspiegel verschärfen aber auch Konfliktlagen wie aktuell beispielsweise zwischen China und Japan. Der Streit um einige unbewohnte Inseln im Südchinesischen Meer dreht sich vor allem um die dort vermuteten großen Erdöl- und Erdgasreserven. Nach Angaben der amerikanischen Energieinformationsbehörde aus dem Jahr 2008 sollen dort bis zu 213 Milliarden Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) Öl liegen. China hofft auf eine jährliche Gasförderung von 15 Milliarden Kubikmeter. Eine ähnliche Konfliktlage besteht zwischen Großbritannien und Argentinien um die Falkland-Inseln, die in Argentinien Malvinas heißen. Auch dort werden Öl und Gas im Meer vermutet. Auch in der Arktis, wo Norwegen, Russland, Kanada, Dänemark und die USA sich nicht über ihre Ansprüche einigen können, geht es vor allem um Erdöl und Erdgas.

Die Hoffnung auf die Schätze aus der Tiefsee hat die Diskussion über große Meeresschutzgebiete nicht gerade erleichtert. Dabei sind die Meere schon seit den 70er Jahren ein umweltpolitischer Problemfall. Einer der Gründe für die ersten Seerechtskonventionen war die Verklappung aller Arten von Abfällen bis hin zu Atommüll in der Tiefsee. Ende der 70er Jahre wurde diese Praxis gestoppt. Doch ein Müllproblem haben die Meere weiterhin. Sie sind inzwischen aber auch noch durchsetzt von sogenannten Todeszonen. Weil gewaltige Mengen Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft in die Meere geschwemmt werden, gibt es Zonen, in denen das so ausgelöste Algenwachstum dem Meerwasser den Sauerstoff komplett entzieht. Solche Todeszonen gibt es vor allem in der Ostsee, einem flachen Binnenmeer, das erst in der Eiszeit entstanden ist. Aber nicht nur da. Dagmar Dehmer

Überfischung: Die Europäische Union will nicht mehr Teil des Problems sein

Die Grünen im Europaparlament heben nach dem Beschluss des Gremiums zur neuen Gemeinsamen Fischereipolitik Schilder mit Fischen und dem Wort "Danke" hoch. Das Parlament hat beschlossen, dass Beifänge künftig nicht mehr ins Meer zurückgeworfen werden dürfen und sich die Fangquoten nach den Empfehlungen der Wissenschaft richten sollen.
Die Grünen im Europaparlament heben nach dem Beschluss des Gremiums zur neuen Gemeinsamen Fischereipolitik Schilder mit Fischen und dem Wort "Danke" hoch. Das Parlament hat beschlossen, dass Beifänge künftig nicht mehr ins Meer zurückgeworfen werden dürfen und sich die Fangquoten nach den Empfehlungen der Wissenschaft richten sollen.

© Reuters

Wenn die europäischen Regierungen dem Europaparlament folgen, dann steht in der EU eine kleine Revolution bevor. Zum ersten Mal durfte das Parlament bei der Reform der gemeinsamen Fischereipolitik mitreden. In der vergangenen Woche beschlossen die Parlamentarier beachtliche Veränderungen. Die vielleicht wichtigste: Beifang darf nicht mehr über Bord geworfen werden. Allein in der Nordsee werden nach Angaben der Umweltstiftung WWF rund 800 000 Tonnen Fische als „Müll“ über Bord geworfen, weil die Fischer dafür keine Quote besitzen, oder weil es kommerziell nicht verwertbare Fische sind, die sich in ihren Netzen oder Langleinen verfangen. Mit dieser Verschwendung soll bis 2020 endgültig Schluss sein. Außerdem sollen die Fangquoten in Zukunft den Empfehlungen der Wissenschaftler folgen und nicht mehr Ergebnis nächtlicher Feilscherei unter Fischereiministern sein. Allerdings haben Spanien und Frankreich bereits Bedenken angemeldet.

Weil die europäische Fischereipolitik die Bestände in der Nordsee, der Ostsee, dem Mittelmeer und im Schwarzen Meer nicht auf einem Niveau hat halten können, so dass die Fischer ein Auskommen haben, hat die EU 16 Fischereiabkommen mit Entwicklungsländern abgeschlossen. In fast allen Abkommen geht es um Thunfisch, der inzwischen weltweit zu den bedrohten Arten gehört. Vor der westafrikanischen Küste, vor den Kapverden, Mauretanien, dem Senegal oder der Westsahara fischen große Industrieschiffe. Die Fischer entlang der Küste klagen alle darüber, dass für sie kaum noch etwas übrig bleibt. Aber die EU verfügt über eine Fischereiflotte, die bedeutend größer ist, als es die Fischbestände in der Union hergeben.

In der Nordsee sind nach Angaben der EU-Kommission 63 Prozent, im Mittelmeer sogar 80 Prozent der Fischbestände überfischt. 20 Prozent aller Fischarten sind so dezimiert worden, dass sie sich nicht mehr in einem „biologisch sicheren Rahmen“ befinden. Mit anderen Worten: Niemand kann garantieren, dass sich diese Fischbestände wieder erholen – auch dann nicht, wenn sie für einige Zeit nicht mehr befischt werden. Mit „Managementplänen“ sollen sich diese überfischten Arten bis 2020 wieder erholen, damit die dann noch verbliebenen Fischer ein dauerhaftes Auskommen haben. Deutschland verfügt über eine relativ kleine Fischindustrie und stellt sich wohl auch deshalb bisher in den Verhandlungen nicht quer.

Der Thunfisch ist eine bedrohte Art
Den Weltfischbeständen geht es kaum besser als denen in Europa. Die Agrarorganisation der Vereinten Nationen, FAO, legt alle zwei Jahre einen Report über den Zustand der Fischbestände und der Fischerei vor. Die FAO berichtet seit Jahren über beständig sinkende Ertragszahlen in der Meeresfischerei. Im Jahr 2010 sind 148 Millionen Tonnen Fisch in einem Wert von 217 Milliarden US-Dollar gefangen worden. 2011 waren es entgegen dem Trend sogar 154 Millionen Tonnen Fisch. Rund 30 Prozent der Fischbestände sind nahe am Zusammenbruch oder schon so stark überfischt, dass sie sich allenfalls durch ein striktes Management wieder erholen können. Gleichzeitig steigt der Fischkonsum weltweit seit Jahrzehnten dramatisch an. In den 1960er Jahren lag der jährliche Fischkonsum pro Kopf bei 9,9 Kilogramm, 2009 waren es schon 18,4 Kilogramm. In Afrika lag er mit 9,1 Kilogramm pro Kopf und Jahr am niedrigsten. In Asien sind es 20,7 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Chinesen verzehren im Schnitt 15,4 Kilogramm Fisch im Jahr, die Europäer vertilgen 22 Kilogramm und die Amerikaner 24,1 Kilogramm. Während die Zahl der Konsumenten steigt, steigt auch die Zahl der Fischer.

Nur Fische gibt es immer weniger. Weil die Sardinen und Sardellenbestände vor der lateinamerikanischen Pazifikküste drastisch geschrumpft sind, ist Peru seit 2010 nicht mehr die zweitgrößte Fischereination hinter China. Zu den großen Fischereinationen gehören auch noch Chile, die EU und Japan.

Der Anteil der Fische aus Aquakultur nimmt seit den 90er Jahren jedes Jahr deutlich zu. Die jährlichen Wachstumsraten liegen im Durchschnitt bei 8,8 Prozent, heißt es im FAO-Fischereibericht. Zwischen 1980 und 2010 hat sich die Zahl der Aquakulturen verzwölffacht. 2010 sind 60 Millionen Tonnen Fisch aus der Zucht für 199 Milliarden US-Dollar vermarktet worden. 600 verschiedene Fischarten werden in 190 Staaten produziert. Dabei sind Aquakulturen nicht unproblematisch – auch für die Fischbestände in den Ozeanen. Für ein Kilogramm Lachs werden nach einer Rechnung der Umweltorganisation Greenpeace fünf Kilogramm wild gefangener Fisch für dessen Ernährung gebraucht. Bei Thunfisch sieht die Rechnung noch schlechter aus. Da liegt das Verhältnis bei 20 Kilogramm zu einem Kilogramm Thun. In den Aquakulturen werden Fische auf kleinem Raum gehalten. Deshalb werden Antibiotika eingesetzt, um bei Krankheiten einen Totalverlust zu vermeiden. Auch die Ausscheidungen der Fische werden zum Problem. Sie sind sehr nährstoffreich und lösen häufig Algenblüten aus, die schließlich zu einem Umkippen der betroffenen Meeresregion führen können. Inzwischen gibt es zwar auch Öko-Aquakulturen. Doch ihre Marktanteile sind überschaubar.

Beim Weltgipfel Rio plus 20 in Brasilien im vergangenen Sommer haben Umweltschützer dafür gekämpft, überregionale Meeresschutzgebiete wieder zu einem Thema zu machen. Sie sind damit gescheitert. Allerdings hat die Vertragsstaatenkonferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt das Thema aufgegriffen, doch bis die Gebiete ausgewiesen sind, sind die Lizenzen für den Tiefseebergbau vermutlich alle längst vergeben. Auf hoher See gibt es also auch in Zukunft kaum Schutz für die Fische. Dafür haben die Malediven und die Cook-Inseln sowie Australien im vergangenen Jahr alle große neue Meeresschutzgebiete ausgewiesen. Der Premierminister der Cook-Inseln begründete das übrigens mit der Absicht seines Landes, in den Tiefseebergbau einzusteigen. Da müssten die ökologischen Standards zumindest in den angrenzenden Gebieten hoch sein.

FISCH MIT GUTEM GEWISSEN

Die Umweltorganisationen WWF und Greenpeace raten beim Fischkauf auf die Öko-Siegel von Bioland, Naturland und dem vom WWF mitentwickelten MSC zu schauen. Diese Fische stammen aus Fischbeständen, die zumindest nicht überfischt sind. Oder sie stammen aus ökologisch betriebenen Aquakulturen.Ohne Zertifikat empfehlen beide nur folgende vier Fische: Hering, Makrele, Forelle, Karpfen.

Zum Verzicht raten beide Organisationen bei: Aal, Alaska-Seelachs, Dorade, Dornhai, Granatbarsch, Heilbutt, Hoki, Kabeljau, Lachs, Marlin, Miesmuschel, Pangasius, Red Snapper, Rotbarsch, Sardelle, Sardine, Schellfisch, Scholle, Schwertfisch, Seehecht, Schellfisch, Scholle, Schwertfisch, Seehecht, Seeteufel, Seezunge, Shrimp, Sprotte, Steinbeißer, Thunfisch, Tilapia, Tintenfisch, Wittling, Wolfsbarsch. Dagmar Dehmer

Plastikwirbel: Überreste von Kunststoffen kreisen in den Weltmeeren

Selbst die Südsee mit ihren über etliche tausend Kilometer verstreuten meist kleinen Inseln und Atollen bleibt von einem der großen, aber kaum beachteten Problem in den Weltmeeren nicht verschont: Als Marcus Eriksen von der Meeresschutzorganisation 5 Gyres Institute in Los Angeles und Wissenschaftler aus Kalifornien, Hawaii und Chile jetzt zwischen der Robinson-Crusoe-Insel, der Osterinsel und der Pitcairn-Insel den Südpazifik genau unter die Lupe nahmen, entdeckten sie dort einen gigantischen Wirbel aus Plastikmüll, den sie in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung beschreiben (Marine Pollution Bulletin, 2013, im Druck). Ähnliche schwimmende Kunststoff-Abfallhalden kreisen im Nordpazifik zwischen Japan, China und Nordamerika, sowie im Nordatlantik zwischen Karibik und Nordafrika. Vergleichbare Gebilde im Südatlantik und im Indischen Ozean harren noch einer genaueren Analyse.

Der wenigste Plastikmüll, der dort im Wasser schwimmt, fällt über die Reling von Schiffen. Das meiste kommt vom Festland. Lassen Badeurlauber Flaschen und Tüten am Strand liegen und entsorgen die Menschen in den Siedlungen an der Küste ihren Müll illegal, spülen die Wellen einen Teil davon ins Meer. Weit größere Mengen Plastikabfall stammen jedoch aus dem Landesinneren, wo sie absichtlich oder gedankenlos ins Gebüsch oder auf den Acker geworfen werden. Der Regen schwemmt diese Teile in Gewässer, die sie dann ins Meer tragen. Der an der Südpazifik-Studie beteiligte Meereswissenschaftler Martin Thiel von der Universidad Catolica del Norte im chilenischen Coquimbo fischt bei seinen Studien vor der Pazifikküste Chiles einiges von diesem Plastikmüll wieder aus dem Wasser. „Dort haben wir bereits Fischernetze gefunden, die Stürme oder Strömungen losgerissen haben“, berichtet der Forscher.

Auch Tsunami-Müll schwimmt im Meer

Einen Teil des in den Ozeanen gelandeten Plastiks tragen die Strömungen auf die Hochsee hinaus. Am 27. Mai 1990 verlor das Schiff Hansa Carrier südlich von Alaska fünf Container mit rund 61 000 Nike-Turnschuhen. Dem chinesischen Frachter Tokio Express gingen am 10. Januar 1992 drei Container mit 29 000 bunten Spielzeugtierchen über Bord. Gelbe Enten, grüne Frösche, blaue Schildkröten und rote Biber aus Plastik treiben seither im Pazifik. Schließlich schwemmte auch der Tsunami im März 2011 jede Menge Treibgut von der japanischen Küste aufs Meer hinaus. Das Treibgut wird von den Strömungen mitgetragen, die einen riesigen langsamen Wirbel im Nordpazifik bilden. Es dauert ungefähr drei Jahre, bis der Plastikmüll dort eine Runde gemacht hat, immer wieder treiben dann einige Teile an die Strände Alaskas und Kanadas. Angeblich hat sich im Internet sogar eine Tauschbörse gebildet, wo der passende linke Turnschuh von der Hansa Carrier zu einem angeschwemmten rechten Exemplar der Größe 40 gesucht wird.

Erst dieser angeschwemmte Plastikmüll brachte Forscher wie Curtis Ebbesmeyer von der University of Washington in Seattle auf die Spur dieser Wasserwirbel. Dort zerkleinern die Wellen diesen Abfall aber rasch. „Das Plastik zerbröselt auch im ultravioletten Licht der Sonne“, ergänzt Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Gemeinsam mit Martin Thiel in Chile untersucht er die Müllwirbel in den Meeren. Die Gewalt der Elemente zerlegt das Plastik in so kleine Teile, dass sie oft nur unter einem Mikroskop sichtbar sind. Bei der Expedition in der Südsee fischten die Forscher diese Partikel mit einem Netz aus dem Wasser, dessen Maschen gerade einmal einen Drittel Millimeter Durchmesser hatten. Auf einem einzigen Quadratkilometer Pazifik zählten sie so durchschnittlich 26 898 Miniteilchen. Allerdings ist der Plastikmüll keineswegs gleichmäßig über die Südsee verteilt: Am Rande das Wasserwirbels schwimmen nur wenige Partikel, während die Teilchen im Zentrum wie in einer riesigen Falle gefangen bleiben. Dort zählten die Forscher dann auch 396 342 Partikel in einem einzigen Quadratkilometer Wasser.

Meeresbewohner schlucken die Abfälle

Analysieren Chemiker diese Teilchen, finden sie darin genau die chemischen Verbindungen, aus denen die meisten Kunststoffe auf der Welt hergestellt werden: Poly-Ethylen und Polyester, Polyamid und Poly-Acrylsäure, Poly-Propylen und Polymethacrylat. Damit ist klar, dass der in den Meeren kreisende Plastikmüll tatsächlich von den Kunststoffen stammt, die vom Land ins Meer geschwemmt werden. Das zeigen auch Analysen von Mikroorganismen, die in den vergangenen vierzig Jahren zwischen Island und der schottischen Nordküste, sowie zwischen Aberdeen und den Shetland-Inseln bei Routine-Untersuchungen aus dem Meer gefischt und aufbewahrt wurden: Die älteren Proben enthalten erheblich weniger Plastikfasern. Da in den vergangenen vierzig Jahren immer mehr Plastikverpackungen in Umlauf kamen, die nach einmaligem Gebrauch im Mülleimer landen, dürfte hier ein wichtiger Urheber der Müllwirbel in den Weltmeeren liegen.

Miesmuscheln nehmen Plastikteilchen auf

Gesund sind diese Plastikabfälle für viele Meeresbewohner nicht. Sie schlucken nicht nur diese Miniteilchen, sondern auch größere Reste von Plastikabfall. Verstopft der Müll die Verdauungsorgane, sterben Delfine und Schildkröten. In einem verendeten Albatros-Küken fand Curtis Ebbesmeyer rund hundert Plastikteilchen, mit denen wohl die Eltern ihren Nachwuchs gefüttert hatten. Auf den Midway-Inseln sterben rund ein Drittel der Küken der dort brütenden 1,5 Millionen Laysan-Albatrosse: Todesursache sind meist von den Eltern aus dem Meer gebrachte Plastikpartikel. Auch Miesmuscheln nehmen Miniplastikteilchen auf, wenn sie ihre Nahrung aus dem Wasser filtern. Ob der Kunststoffabfall so auf dem Esstisch der Menschen landet, ist allerdings noch nicht genau untersucht.

Bereits im Jahr 2000 verbrauchte jeder Nordamerikaner 130 Kilogramm Kunststoffe, auf das Konto jedes Westeuropäers gingen jährlich 92 und auf das eines Japaners 86 Kilogramm Plastik. Allenfalls die Hälfte aller auf der Erde produzierten Kunststoffe wird geordnet deponiert oder recycelt. Also landen gigantische Mengen Plastikmüll in der Landschaft und letztendlich im Meer. Diese Kunststoffe gefährden nicht nur die Lebewesen im Wasser direkt, sondern könnten auch die Ökosysteme umkrempeln, vermutet AWI-Forscher Lars Gutow: Auf ihnen könnten kleinere Arten von einer Küste zur anderen reisen, die anders einen solchen Seetransport kaum überstehen. Angeschwemmt an eine fremde Küste können solche blinden Passagiere erhebliche Schäden anrichten.

Dazu kommt: „Wenn wir mit unseren Schleppnetzen Proben vom Meeresgrund holen, erwischen wir fast immer auch einigen Müll, der dort unten liegt“, erzählt Lars Gutow. Ein Teil des Plastikabfalls sinkt offensichtlich in die Tiefe. Auf den Böden der Weltmeere könnte sich also ein riesiges, bisher kaum untersuchtes Müllproblem verbergen. Roland Knauer

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