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Benazir Bhutto

© dpa

Pakistan: Bhutto-Anhänger: "Unsere Mutter ist tot"

Trauer und Wut in Pakistan: Überschattet von Gewalt im ganzen Land ist die Oppositionsführerin Benazir Bhutto zu Grabe getragen worden. Sie soll nicht durch gezielte Schüsse, sondern durch Metallsplitter getötet worden sein.

Gestorben sei die frühere Ministerpräsidentin durch die Trümmer des Autodachs, das sie unter sich begrub. In ihrem Körper seien keine Kugeln oder Geschossteile gefunden worden. Zuvor hatte das Innenministerium lediglich davon gesprochen, dass Al Qaida "aller Wahrscheinlichkeit nach" für das Attentat verantwortlich ist. Bhutto war am Donnerstag bei einem Anschlag in der Garnisonsstadt Rawalpindi getötet worden. Nach islamischer Tradition wurde die populäre Oppositionsführerin bereits am Tag nach ihrem tragischen Tod beerdigt.

Das pakistanische Innenministerium hat nun bestätigt, dass es "unwiderlegbare Anhaltspunkte" gebe, dass das Al Qaida Pakistan destabilisieren wolle. Die Polizei habe nach dem Tod Bhuttos einen Telefonanruf des Terrornetzwerkes abgehört.

Trauermarsch zum Familienmausoleum

Der Transport des schlichten Holzsarges habe Stunden gedauert. Der Tod Bhuttos hat Pakistan in einen Schockzustand versetzt. Im Schutz der Dunkelheit wurden die sterblichen Überreste Bhuttos in ihre Heimatprovinz Sindh geflogen. Mit an Bord der Militärmaschine waren Bhuttos Ehemann Asif Ali Zardari sowie der Sohn und die beiden Töchter - alle drei noch Teenager. Von der Stadt Sukkur, rund 300 Kilometer nordöstlich der Hafenmetropole Karachi gelegen, wurde der einfache Holzsarg mit einem Hubschrauber in den Distrikt Larkana gebracht - seit Jahrzehnten das Machtzentrum der Familie Bhutto.

Menschen in Wut und Trauer

Hier strömten die Menschen bereits im Morgengrauen in das kleine Dorf Garhi Khuda Bakhsh. Sicherheitskräfte hatten den Ort aus Furcht vor weiteren Anschlägen weiträumig abgesperrt. Dennoch gelang es 100.000 Menschen, vielen zu Fuß, einigen mit Ochsenkarren, bis zum Familiengrab und in die angrenzenden Straßen vorzudringen. Sie alle wollten Benazir Bhutto, die in diesem Teil des Landes besonders verehrt wird, noch einmal nahe sein. "Ihr seid Brüder einer tapferen Schwester", ruft Asif Ali Zardari den Anhängern seiner ermordeten Frau zu. "Gebt mir die Kraft, diesen Verlust zu ertragen."

Doch die Anwesenden selbst sind von tiefer Trauer ergriffen. "Unsere Mutter ist tot", schluchzt Allahyar Bacheho. Ganz dicht drängt sich der aus der Nachbarschaft stammende junge Mann an den Wagen mit Bhuttos Sarg, als der sich die letzten Kilometer durch die Menschenmassen schiebt. "Für uns gibt es keinen Grund mehr zu leben", sagt er noch, ehe er in der Menge verschwindet. Andere schlagen sich aus Trauer vor Brust und Stirn. Auch Slogans gegen die Regierung von Präsident Pervez Musharraf sind zu hören. Nicht wenige machen ihn für den Tod seiner schärfsten politischen Rivalin verantwortlich.

Bhuttos Partei ist führungslos

Auf dem Platz vor dem gewaltigen Mausoleum wehen schwarz-rot-grüne Fahnen der Pakistanischen Volkspartei PPP. Dass die Partei nach dem Tod ihrer charismatischen Vorsitzenden vor einer ungewissen Zukunft steht, beschäftigt in diesem Moment kaum jemanden. Das Grabmal mit seinen drei, die Gegend überragenden Kuppeln hatte Benazir Bhutto für ihren Vater errichten lassen. Zulfikar Ali Khan Bhutto war Ende der 70er Jahre als Regierungschef vom Militär gestürzt und hingerichtet worden. Auch ihre zwei Brüder sind hier begraben. Shah Nawaz starb unter mysteriösen Umständen im Ausland, Shaeed wurde von der Polizei erschossen.

Mit den Händen tragen Vertraute und Familienangehörige den mit einer Fahne ihrer Partei bedeckten Sarg vor das Eingangsportal des Mausoleums, wo die Menge für ein Gebet innehält. Im Inneren findet Benazir Bhutto, die zu einer Ikone der pakistanischen Politik aufgestiegen war, an der Seite des Vaters die letzte Ruhe.

Nach der Ermordung Bhuttos sind bei Unruhen in Pakistan mindestens 32 Menschen bei Ausschreitungen getötet worden. Allein in Bhuttos Heimatprovinz Sindh starben 23 Menschen, wie der Innenminister der Provinz, Ghulam Mohammad Mohtaram, mitteilte. (dm/dpa)

Stefan Mentschel

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