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Politik: Pakistan: Der General auf dem Pulverfass

Die nächsten zwei, drei Tage werden zeigen, ob der Angriff auf die Taliban und ihren "Gast" Osama bin Laden eine Chance auf Erfolg haben. Das entscheidet sich weniger in Afghanistan als vielmehr im Nachbarland Pakistan.

Die nächsten zwei, drei Tage werden zeigen, ob der Angriff auf die Taliban und ihren "Gast" Osama bin Laden eine Chance auf Erfolg haben. Das entscheidet sich weniger in Afghanistan als vielmehr im Nachbarland Pakistan. Denn nur wenn Pakistans Militärherrscher General Pervez Musharraf die nächsten Tage politisch überlebt, hat die weltweite Allianz gegen den Terror Aussicht, ihren Kampf zu gewinnen. Tausende gingen am Montag in Pakistan auf die Straßen und protestierten gegen die USA - und auch gegen die eigene Regierung. Wird Musharraf gestürzt, entweder durch einen Putsch des Militärs oder durch die fanatisierten Massen auf den Straßen, dann bekommt die Welt ein zweites Afghanistan.

Während in Pakistan am Montag wütende Menschen durch die Städte zogen, die den Sturz der Regierung und Unterstützung für die Taliban forderten, versuchte General Musharraf sein Volk zu beruhigen. "Dies war kein Angriff auf Afghanistan, sondern gegen den Terrorismus", sagte er und fügte beschwörend hinzu: "Ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Bevölkerung hinter uns steht". Doch in Quetta, wo am Montag sogar geplündert wurde und es mindestens einen Toten und mehr als 20 Verletzte gab, verlor die Polizei die Kontrolle über die Lage, und die Armee musste eingesetzt werden.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror 7.10., 18.45 Uhr: Wie der Gegenschlag begann Hintergrund: US-Streitkräfte und Verbündete Schwerpunkt: US-Gegenschlag, Nato und Bündnisfall Schwerpunkt: Osama Bin Laden Chronologie: Terroranschläge in den USA und die Folgen Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Umfrage: Befürchten Sie eine Eskalation der Gewalt? Der General hat jedoch vorgesorgt. Am Sonntag, unmittelbar vor den Angriffen, wurde seine Amtszeit als Armeechef auf unbestimmte Zeit verlängert. Damit ist er der mächtigste Mann im Staate. Denn er ist gleichzeitig Präsident Pakistans, Regierungschef, Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats und Verteidigungsminister. Zudem entledigte er sich am Montag auch noch gefährlicher fundamentalistischer Scharfmacher im Militär. Entlassen wurde der Chef des militärischen Geheimdienstes ISI, also des Organs, das die Taliban militärisch ausgebildet und unterstützt hat. Kaltgestellt wurden außerdem mit Mohammed Aziz Khan und Muzzafar Usmani die beiden mächtigsten pro-Taliban-Generäle in der Armee.

Schon am Sonntag hatte Musharraf den überaus populären Chef der fundamentalistischen Partei Jamiat-e-Ulema Islam (JUI), den Maulana Fazlur Rehman, auf unbestimmte Zeit unter Hausarrest stellen lassen. Dieser hatte Anfang der neunziger Jahre in seinen von Saudi Arabien finanzierten Koranschulen die Taliban ausgebildet. Auf Fazlur Rehmans Konto gehen die meisten pro-Taliban-Demonstrationen und Märsche für den Dschihad in Pakistan. Anders als in den letzten drei Wochen haben Polizei und nun auch das Militär Anweisung, gegen solche Demonstrationen mit aller Härte vorzugehen, wie sich bei den blutigen Straßenschlachten am Montag zeigte. Der General hofft nun, dass die Schläge gegen Afghanistan nur kurz sind. Denn die Taliban könnten ihren Kampf ums Überleben nicht in Afghanistan, sondern in Pakistan austragen, mit Hilfe ihrer pakistanischen Taliban-Brüder. JUI-Chef Fazlur Rehman, der wütend ist, dass Pakistan den USA Geheimdienstinformationen und Überflugrechte zur Verfügung stellt, hat seinen Anhängern befohlen, sich der Flughäfen zu bemächtigen und den Heiligen Krieg zu beginnen. Allen Schachzügen Musharrafs zum Trotz bleibt damit ein großes Element der Unsicherheit, denn nicht sicher ist, dass die Armee auf Dauer hinter ihrem Oberkommandierenden bleibt. Musharraf kann sich vielleicht auf die Generäle verlassen, aber die mittlere Ebene des jüngeren Offizierskorps ist in ihrer Mehrheit fundamentalistisch.

Gabriele Venzky

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