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Der liberale Geistliche Muhammad Tahirul Qadri hat in Islamabad zum "Marsch der Millionen" aufgerufen. Tausende Protestler zogen daraufhin durch die Straßen.

© dpa

Pakistan: Protestmarsch nach Islamabad

Ein liberaler Geistlicher schwingt sich in Pakistan zum neuen Hoffnungsträger auf und ruft zum "Marsch der Millionen" auf. Er fordert Reformen und den Kampf gegen Korruption.

Sie schwingen die Fahne Pakistans, als zögen sie in eine Schlacht. Tausende Menschen haben sich am Sonntag in Lahore zum „Marsch der Millionen“ gen Islamabad aufgemacht, um gegen Korruption und Gewalt zu protestieren. Angeführt werden sie von einem Mann, den vor einem Monat kaum jemand kannte: der liberale Geistliche Muhammad Tahirul Qadri. Fast über Nacht schwang sich der 61-Jährige, der erst im Dezember nach sieben Jahren aus Kanada zurückkehrte, zum neuen Hoffnungsträger dieses hoffnungslosen Landes auf. „Dies ist ein Marsch für Demokratie. Ein Marsch gegen die Plünderer, die in Islamabad herrschen. Ein Marsch für die Menschen, die in Quetta über ihre Toten weinen“, sagte er. Qadri fordert, dass die Regierung einer Übergangsregierung Platz macht. Zudem verlangte er den Rücktritt der Provinzregierung von Belutschistan, wo fast 100 Schiiten bei Anschlägen starben. An diesem Montag soll der Konvoi aus Bussen, Lastern, Autos und Mopeds die Hauptstadt Islamabad erreichen. Die Regierung ist so nervös, dass sie 15 000 Polizisten einsetzte.

Qadri hat die politische Landschaft aufgemischt – und das nur wenige Monate vor den Neuwahlen, die im April oder Mai anstehen. Qadri, der eine Hilfsorganisation betreibt, verkündet hehre Ziele: Bereits vor zwei Jahren hat der Religionsgelehrte eine Fatwa, ein Verdikt, gegen Terrorismus erlassen. „Terroristen sind Feinde des Friedens und der Menschlichkeit und gehören keiner Religion an.“ Er tritt für Harmonie zwischen den Religionen ein und will Korruption bekämpfen.

Auch US-Präsident Obama müsste die Agenda gutheißen

Der Prediger steht für eine Agenda, die auch US-Präsident Barack Obama gutheißen müsste. Doch viele Pakistaner verfolgen den Aufstieg des Außenseiters mit Argwohn. Einige wähnen in ihm einen Strohmann der USA, zumal mysteriös ist, woher das Geld für seine Werbekampagne stammt. Andere halten ihn für einen Mann des Militärs, das vom Gewurstel der Regierung schon lange die Nase voll hat, aber einen Coup scheut. Wieder andere glauben beides – dass er heimlich von USA und Militär gestützt wird. Obwohl Qadri bei den Wahlen nicht antreten darf, weil er auch Bürger Kanadas ist, könnte vor allem eine Nähe zu den USA seinen Ruf ruinieren.

Doch er trifft den Nerv vieler Bürger. Der Unmut über die Regierung unter der Bhutto-Partei PPP ist groß. Pakistan wird von feudalen Eliten beherrscht, die Politik meist als Selbstbedienungsgeschäft verstehen. Viele der 180 Millionen Pakistaner kämpfen dagegen um ihre Existenz. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Preise steigen. Auch die religiös motivierte Gewalt explodiert. Am Donnerstag hatte die schlimmste Terrorserie seit Jahren das Land erschüttert. Bei drei Anschlägen starben mehr als 120 Menschen. Der größte Angriff in Quetta richtete sich gegen die schiitische Minderheit. Die Schiiten verweigern seit Tagen die Bestattung der Opfer – aus Protest gegen unzureichenden Schutz. Zu Hunderten protestierten die Angehörigen am Wochenende neben den Leichen.

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