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Pakistan und die Nato: „Zwischen Pakistan und der Nato herrscht Krieg“

Islamabads Ex-Geheimdienstchef zur Situation am Hindukusch und der Gefahr weiterer Konflikte.

Wie ist das Verhältnis zwischen der Nato und Pakistan nach zehn Jahren Krieg?

Feindselig. Zwischen Pakistan und der Nato, beziehungsweise den USA, herrscht inzwischen Krieg. Dieser verläuft jedoch nicht offen, sondern indirekt. Und zwar deshalb, weil in Afghanistan die Ziele der Nato, und damit der USA, auf der einen und Pakistans auf der anderen Seite völlig unterschiedlich sind.

Was meinen Sie damit?

Den USA ging es schon 2001 nicht darum, nur Osama bin Laden und seine Helfershelfer festzusetzen. Sie wollen Afghanistans Charakter verändern, um dort für längere Zeit Stützpunkte zu errichten und um ein ihnen loyales Regime zu etablieren. Das hat nicht nur das afghanische Flüchtlingsproblem in Pakistan verschärft. Der Krieg in Afghanistan hat Taliban und andere Widerstandskämpfer über die Grenze getrieben. Wir haben zunächst versucht, das zu verhindern, aber die Menschen im Grenzgebiet, den Stammesgebieten, haben das nicht akzeptiert. Viele unserer Landsleute dort haben sich gegen die pakistanische Armee gestellt, nach dem Motto: Wenn ihr Freunde der USA in Afghanistan seid, seid ihr unsere Feinde. Wir konnten diesen Krieg in Pakistan nicht weiterführen. Die Amerikaner aber verlangen von uns, die Kämpfer zu töten, von denen sie in Afghanistan nicht in Ruhe gelassen werden. Weil wir das nicht tun, bedeutet das für die USA, dass wir den Widerstandskämpfern Asyl gewähren oder diese sogar unterstützen.

Könnte Pakistan andererseits etwas zum Friedensprozess beitragen?

Wir werden nicht helfen, die Taliban niederzukämpfen. Das können wir uns nicht leisten. Die Afghanen sind unsere Nachbarn und werden das bleiben, im Gegensatz zu den USA und der Nato, die irgendwann wieder gehen werden. Das hoffen wir jedenfalls und daran arbeiten wir. Solange die Nato in Afghanistan ist, gibt es Aufruhr und Unruhe, aber keine Stabilität. Wo wir eine größere Rolle spielen könnten, wären die Verhandlungen mit den Taliban. Doch da ist unsere Hilfe nicht gewollt, es geht immer nur darum, dass wir gegen die Taliban vorgehen und logistische Unterstützung leisten sollen.

Welche Beziehung hat Pakistan zum Widerstand, insbesondere den Taliban?

Wir haben nichts gegen sie. Die Öffentlichkeit in Pakistan hegt viel Sympathie für die Taliban in Afghanistan. Ihr Kampf wird als Freiheitskampf gesehen.

Was sind Pakistans Interessen?

Erstens bedeuten Unruhe und Instabilität in Afghanistan auch Überfälle in Pakistan. Die Flüchtlinge kommen zu uns. Und auf beiden Seiten der Grenze leben Paschtunen, die auch von unserer Seite aus nach Afghanistan in den Kampf ziehen. Zweitens spielt Afghanistan aufgrund seiner geografischen Lage in der rohstoffreichen Region Zentralasiens eine wichtige Rolle für uns. Denken Sie an die geplante Pipeline von Iran über Afghanistan und Pakistan. Die Chinesen haben in Pakistan den Tiefseehafen Gwadar gebaut. Sobald dieser betriebsbereit ist und von dort aus die Pipelines sowie Straßen und andere Verkehrswege über den Hindukusch nach China führen, wird das von großer Bedeutung für den Rohstoffhandel sein. Und drittens konkurrieren wir mit Indien in Afghanistan. Auch wenn sich, das muss ich betonen, die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan zuletzt außerordentlich verbessert haben.

Inwiefern?

Man kann mit Indien durchaus sprechen. Und Delhi wird nicht versuchen, uns in den Rücken zu schießen. Seit zehn Jahren haben wir Probleme im Westen, und die Inder haben kein einziges Mal versucht, die Lage auszunutzen. Ihnen ist auch klar, dass die Amerikaner irgendwann abziehen werden. Und dann würde man in der Region sagen: Die Inder sind Pakistan in den Rücken gefallen, als es in Schwierigkeiten war. Als größten Feind nennen die Pakistaner heute nicht mehr Indien, sondern die USA. Was das Verhältnis der USA zu Indien betrifft, glauben wir, dass Washington Delhi als Gegenmacht zu Peking instrumentalisieren will. Doch Indien ist viel zu groß und zu klug, um sich darauf einzulassen. Natürlich verfolgt Delhi legitime eigene Interessen gegenüber dem Konkurrenten China, aber nicht nach Maßgabe der USA.

Indien ist mehr an einer Friedensregelung mit Pakistan interessiert, als die Lage in Afghanistan auszunutzen, um Pakistan unter Druck zu setzen?

Indien verfolgt seit zehn Jahren keine solchen Absichten mehr. Zwar gab es schon in der Vergangenheit Anläufe, die Beziehungen zu verbessern. Aber diesmal ist die Lage anders: In Pakistan wurde akzeptiert, dass die Regierung Indien den Meistbegünstigtenstatus bei Handelsfragen zugestanden hat, und man reagierte auch äußerst besonnen auf eine große Militärübung Indiens an der Ostgrenze, was früher immer zu großem Aufruhr geführt hatte. Ein Zwischenfall mit einem Hubschrauber im pakistanischen Teil Kaschmirs wurde innerhalb von Stunden geregelt. Vielleicht hat Delhi erkannt, dass die Folgen beispielsweise eines Bürgerkriegs in Pakistan für es selbst gravierend wären. Es hätte nicht nur eine sehr instabile Situation an seiner Westgrenze, sondern auch ernste Probleme im Hinblick auf religiöse Auseinandersetzungen, weil in Indien so viele Muslime leben.

Pakistans Nachbar Iran könnte wegen seines Atomprogramms ebenfalls in einen militärischen Konflikt mit den USA geraten. Wie würde sich Pakistan verhalten?

Eine militärische Unterstützung des Iran wäre schwierig. Politisch sieht das jedoch anders aus. Es gäbe sicherlich jede Menge freiwilliger Kämpfer, Schiiten ebenso wie Nicht-Schiiten, die in diesen Krieg ziehen wollen würden, und Pakistan würde dagegen sicher nichts unternehmen. Was würden die USA und Israel dann tun – Luftangriffe auch auf pakistanisches Territorium fliegen? In jedem Fall aber wäre eine Destabilisierung der gesamten Region die Folge.

Asad Durrani (71), Generalleutnant a. D., war pakistanischer Botschafter in Bonn und von 1989 bis 1992 Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI.

Jürgen Rose

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