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Politik: Pakistans ehemaligem Regierungschef droht die Todesstrafe - ein Glaubwürdigkeits-Test für den neuen Machthaber

Kommt Pakistans gestürzter Premierminister an den Galgen oder nicht? Das ist die große Frage, die das ganze Land bewegt, seit am Mittwoch nach langen Verzögerungen vor einem Gericht in Karachi Anklage gegen Nawaz Sharif erhoben worden ist.

Kommt Pakistans gestürzter Premierminister an den Galgen oder nicht? Das ist die große Frage, die das ganze Land bewegt, seit am Mittwoch nach langen Verzögerungen vor einem Gericht in Karachi Anklage gegen Nawaz Sharif erhoben worden ist. Ihm wird Flugzeugentführung, Terrorismus und versuchter Mord vorgeworfen, Vergehen, die mit dem Tode bestraft werden können. Vor 20 Jahren ließ der damalige Putschgeneral Zia ul-Haq seinen zivilen Vorgänger Zulfikar Ali Bhutto hängen. Wiederholt sich nun in diesem Land die Geschichte, in dem die Armee fast die Hälfte der Zeit seit der Unabhängigkeit regiert hat?

Angesichts seines ungewissen Schicksals gibt sich Nawaz Sharif bemerkenswert gelassen. Nicht er sei der Flugzeugentführer, sondern der neue Machthaber, Armeechef Pervez Musharraf. Der habe nicht nur ein Flugzeug, sondern die ganze Demokratie entführt. Gemeint sind die Geschehnisse vom 12. Oktober vergangenen Jahres. An diesem Tag hatte Sharif den General überraschend von seinem Posten entlassen. Musharraf war zu diesem Zeitpunkt nicht im Lande, sondern befand sich, zusammen mit weiteren 198 Passagieren aus Sri Lanka kommend, im Anflug auf Karachi. Nun wird Sharif vorgeworfen, er habe befohlen, die Landung des Flugzeugs zu verhindern, obwohl die Maschine kaum noch Treibstoff hatte, ja, sie gar ins feindliche Indien umzuleiten. Eine Katastrophe sei nur verhindert worden, so der General, weil seine Untergebenen am Boden "schnell geschaltet" und das Kommando auf dem Flughafen übernommen hätten.

Nicht nur dort. Am gleichen Tag besetzte die Armee alle wichtigen Positionen im Land, entließ die Regierung und nahm deren wichtigste Vertreter in Haft. Das geschah so gezielt, dass im Ernst niemand daran glauben konnte, die Operation sei nicht sorgfältig vorbereitet worden. Genauso wenig überraschend war, dass der Putsch von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung mit Jubel begrüßt wurde. Denn die letzten zehn Jahre, in denen das Land von demokratisch gewählten Politikern regiert wurde, waren der Gipfel an Inkompetenz und Korruption. Zweimal durfte sich Benazir Bhutto versuchen, zweimal Nawaz Sharif, während das von den Machthabern ausgeplünderte Land immer tiefer in Chaos, Terror und Bankrott versank. Da war den Leuten ein drahtiger General nur allzu willkommen, der im Kasernenhofton verkündete, er werde dem Land zu "wirklicher Demokratie" verhelfen und die ruinierte Wirtschaft wieder auf gesunde Füße stellen.

Gewiss, solche Versprechungen hatten alle Militärdiktatoren in Pakistan gemacht, wenn sie die Macht übernahmen, und nie hatten sie sie eingehalten. Musharraf dagegen scheinen die Leute zu glauben, seiner geschäftsmäßigen Art, seinen Beteuerungen, er sei kein Fundamentalist, sondern in Wahrheit ein verkappter Liberaler. Dabei hat er bisher noch nicht allzu viel geliefert.

So wird der Prozess gegen den gestürzten Nawaz Sharif zum ersten wirklichen Test für den Militadministrator, wie sich der Diktator gerne bezeichnet. Dem Ex-Premier hat er ein faires, offenes und transparentes Verfahren zugesagt. Nun muss sich zeigen, ob er sein Wort hält. Sharif muss sich ausgerechnet vor einem der umstrittenen Anti-Terrorismus-Gerichte verantworten, die er selbst eingerichtet hatte. Dass das Urteil in den den Anti-Terror-Gerichten vorgeschriebenen sieben Tagen gefällt wird, gilt als unwahrscheinlich. Vermutlich wird es erst Mitte Februar kommen.

Gabriele Venzky

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