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Eine Palästinenserfamilie bei Hebron in den besetzten Gebieten mit den Überresten ihrer Unterkunft, nachdem die israelische Armee diese mit Bulldozern hat zerstören lassen.

© dpa

Palästina: Brisante Solarzellen

Zwischen der EU und Israel ist politischer Streit um die besetzten palästinensischen Gebiete entbrannt - mit Deutschland in der ersten Reihe.

Die vom Auswärtigen Amt mitfinanzierte Solaranlage im Dorf Tha’ala, in den Bergen südlich von Hebron in den besetzten palästinensischen Gebieten, steht noch; aber Wohnzelt und Ställe der achtköpfigen Beduinenfamilie, der sie Strom lieferte, sind von Bulldozern der israelischen Armee platt gewalzt. Die 18 Lämmer der Familie wurden unter den Trümmern lebendig begraben. Die Familie lebte in einem von Israel nicht anerkannten Dorf in den so genannten C-Gebieten, die völlig unter der Herrschaft der israelischen Armee stehen. Diese verweigert dem Dorf Zugang zu Wasser- oder Stromversorgung. So haben die Hilfsorganisation „medico international“ und die israelische Partnerorganisation „Comet-ME“ in diesem völkerrechtlich als besetzt geltenden Gebiet Wind- und Solaranlagen für etwa 1500 Menschen gebaut. Damit die Familien, die teilweise in Steinhöhlen und primitivsten Zelten leben, abends Licht haben und einen Kühlschrank betreiben können. Und auch die Solaranlagen und Windräder, welche die Bundesrepublik mit insgesamt 600000 Euro mitfinanziert hat, sollen nicht mehr lange stehen: Im Januar wurden in sechs Gemeinden so genannte „stop-work-orders“ erlassen, die praktisch dem ersten Schritt einer Abrissgenehmigung der Anlagen gleichkommen. Hinter diesem vermeintlich nichtigen Händel steckt ein Grundsatzstreit zwischen der EU und Israel, bei dem die Europäer kein Blatt vor den Mund nehmen, weil sie die Zwei- Staaten-Lösung davonschwimmen sehen. Und Deutschland steht dank seiner Projekte in den C-Gebieten in der ersten Reihe; sie waren Thema bei den Besuchen von Außenminister Guido Westerwelle und Entwicklungsminister Dirk Niebel Anfang Februar in Israel. Niebel besuchte damals als erstes deutsches Regierungsmitglied die C-Gebiete. C bedeutet: besetztes palästinensisches Gebiet unter totaler militärischer Herrschaft und Planungsverwaltung der israelischen Armee. So ist es im Friedensabkommen von Oslo festgelegt, die Idee war, dass alle Gebiete stufenweise palästinensischer Herrschaft unterstellt werden. Die C-Gebiete machen 61 Prozent der besetzten Westbank aus, in der eines Tages ein Palästinenserstaat entstehen soll. Hier leben heute nur noch schätzungsweise 150000 Palästinenser. Es werden immer weniger, weil die israelische Armee Beduinen und Palästinensern meist keine Genehmigungen zum Bau von Häusern, Schulen, Wasserleitungen erteilt und sich weigert, die Ortschaften ans Stromnetz anzuschließen. Dafür werden jüdische Israelis hier systematisch weiter angesiedelt. Die Idee von Oslo war, dass alle Gebiete nacheinander palästinensischer Herrschaft unterstellt werden. Kritiker vermuteten schon 1993, dass Israel einen ganz anderen Stufenplan verfolgt: Die Palästinenser dürfen sich – mit Einschränkungen – in den unzusammenhängenden A- und B-Gebieten selbst regieren, die wie Inseln im Meer des C-Territoriums liegen. C wird mit jüdischen Siedlungen, militärischem Sperrgebiet und Naturschutzzonen in Beschlag genommen. Lange hat sich niemand um das Vorgehen Israels in den C-Gebieten geschert, obwohl das Jordantal zu den fruchtbarsten Anbaugebieten der Region zählt und dort viele der kostbaren Wasservorkommen liegen. Doch der EU ist mittlerweile bewusst, dass sie die von ihr geforderte Zwei-Staaten-Lösung abschreiben kann, wenn dieses Land für die Palästinenser nicht mehr zur Verfügung stünde, weil Israel Fakten vor Ort schafft. In einem internen Bericht der EU-Vetretungen vor Ort, der im Januar seinen Weg in die Medien fand, wird von Israel eine „politische Lösung“ für die C-Gebiete gefordert, was nur eine schrittweise Übergabe von Vollmachten an die Palästinenserbehörde bedeuten kann. Bis dahin sollte die EU „die palästinensische Präsenz in den Gebieten und deren Entwicklung unterstützen“, heißt es. Die Zerstörung von Häusern, öffentlichen Gebäuden und Arbeitsplätzen führe zu einem „erzwungenen Transfer der einheimischen Bevölkerung“. Offiziell will Israel die Dörfer auflösen, um den Menschen in sieben Siedlungen modernere Lebensbedingungen zu bieten. Bis zu 30000 Beduinen sollen laut einem neuen Gesetzentwurf umgesiedelt werden. Doch die meisten Beduinen wollen nicht umziehen – zumal sie damit ihre Gewohnheitsrechte auf das Land, das sie oft seit Generationen bewirtschaften, offiziell aufgeben sollen.

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