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Pannenserie: Freier Fall bei Vattenfall

Die schlechten Schlagzeilen von AKW-Betreiber Vattenfall haben zu einer neuerlichen Ausstiegsdebatte geführt. Da hilft auch die Entlassung zweier Manager nichts.

Von Antje Sirleschtov

„Das war erst der Anfang.“ Eine typische Reaktion, mit der am Montagmittag die Mitteilung des Konzerns Vattenfall über erste Konsequenzen aus der Pannenserie um die Atomreaktoren Brunsbüttel und Krümmel in der Politik, aber auch im Unternehmen selbst begleitet wurde. Zu lange hatten die Manager des Konzerns darauf gehofft, dass das Interesse der Öffentlichkeit an den Vorgängen und vor allem Ursachen der Schnellabschaltungen der beiden Kernkraftwerke Ende Juni abebben und man sich einem anderen Thema zuwenden würde. Nun sind die ersten Manager in Deutschland entlassen und selbst für den Chef, Klaus Rauscher, will der schwedische Mutterkonzern Vattenfall noch keine Ehrenerklärung abgeben.

Dass die schmucklose Pressemitteilung „Vattenfall zieht Konsequenzen“ vom Montag dem Energiekonzern Ruhe verschaffen wird, dagegen spricht zweierlei: zum einen die Pannen in der Nähe von Hamburg selbst. Nach wie vor groß ist das öffentliche Interesse an Aufklärung. Bereits kurz nach der Schnellabschaltung Brunsbüttel und erst recht nach dem Trafobrand in Krümmel zwei Stunden später kam es Ende Juni zu teils längeren Stromabschaltungen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Als dann auch noch Bilder des brennenden Transformatoren in Krümmel die Öffentlichkeit aufschreckten, wurde immer häufiger die Frage laut, ob beide Altreaktoren grundsätzlich noch sicher sind. Die zögerliche Herausgabe von Informationen, insbesondere durch für Atommeiler zuständigen Vattenfall-Geschäftsführer Bruno Thomauske, führten schließlich zu einer Kette von negativen Schlagzeilen, von denen selbst der schwedische Konzernchef Lars Josefsson erfahren und sie als schädlich für das Image von Vattenfall eingestuft hat.

Zudem – und das ist wohl der Unterschied zu vorhergegangenen Störfällen dieser Art – haben die Akw-Gegner in der Politik, allen voran Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und seine Parteifreundin Gitta Trauernicht (Sozialministerin und Chefin der Landesatomaufsicht in Schleswig-Holstein), die Gunst der Stunde genutzt und die Vorgänge bei Vattenfall als Beleg dafür herangezogen, dass ältere Atomkraftwerke aus Sicherheitsgründen vorzeitig vom Netz genommen werden müssen. Vattenfall hat damit Sympathien für die Ablehnung aller Anträge der Kraftwerksbetreiber zur Übertragung von Reststrommengen jüngerer auf ältere Atommeiler ausgelöst. Die Wut der anderen deutschen Energiekonzerne – aber auch wohlwollender Unterstützer der Atomkraft in der Politik – folgte prompt. Nur ein Beleg: Selbst die FDP-Spitze steht nun an der Spitze derer, die eine rasche Abschaltung alter Akw fordern.

Wie es zu den Pannen kommen konnte und wie sicher die beiden Vattenfall-Kraftwerke sind, das soll nun eine Expertenkommission im Auftrag des Konzerns prüfen. Parallel dazu wird die Atomaufsicht in Kiel ihre Untersuchungen anstellen. Und auch die Staatsanwaltschaft ist weiter mit der Brandursachenaufklärung in Krümmel beschäftigt. Die politische Aufarbeitung der letzten zwei Wochen hat jedoch gerade erst begonnen. Schließlich sehen Sozialdemokraten und Grüne den von ihnen ausgehandelten Atomausstiegsbeschluss nun gerechtfertigt. Und in der Union will derzeit niemand die Kernenergie loben.

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