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Papst Franziskus I. mit Gerhard Ludwig Kardinal Müller auf dem Petersplatz.

© imago/Ulmer/Lingria

Update

Papst entlässt Glaubenshüter: Zerwürfnis mit Ansage

Der Papst trennt sich vom deutschen Kurienkardinal Müller. Ihr Konflikt war nicht nur im Vatikan bekannt – liberale Christen freut der Schritt.

Nur zwei Tage nach der vorübergehenden Beurlaubung seines „Wirtschaftsministers“ Kardinal George Pell wegen Missbrauchsvorwürfen hat sich Papst Franziskus von einem noch wichtigeren führenden Mitarbeiter im Vatikan getrennt. Kardinal Gerhard Ludwig Müller, oberster Glaubenshüter der katholischen Kirche, muss nach fünf Jahren an der Spitze der Römischen Glaubenskongregation sein Amt niederlegen. Und zwar für immer. Müller, ein akademischer Schüler von Kardinal Karl Lehmann, war bis zu seinem Wechsel nach Rom seit 2002 Bischof von Regensburg. Davor lehrte er als Professor für Dogmatik an der Universität München. Seine Ernennung verdankte er im Jahr 2012 dem damaligen Papst Benedikt XVI, 2014 erhob Franziskus ihn zum Kardinal. Nun gewährt er ihm keine zweite fünfjährige Amtszeit.

Müller selbst reagierte überrascht auf seine Ablösung: „Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht“, sagte er der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Der Papst habe beschlossen, ab sofort nur noch Amtszeiten von fünf Jahren zuzulassen – „Ich war der Erste, bei dem er das umgesetzt hat.“ Franziskus habe ihm die Entscheidung am Freitag persönlich mitgeteilt, seine Amtszeit endet schon an diesem Sonntag.

Für Insider kommt die Trennung aber nicht überraschend: Schon im ersten Jahr seines Pontifikats hatte Franziskus in einem offiziell nie bestätigten Gespräch mit lateinamerikanischen Ordensleuten gesagt, was er von der dogmatisch reglementierenden Rolle der Glaubenskongregation hielt: Wenn man von der Behörde wegen unkonventioneller Seelsorgemethoden einen mahnenden Brief erhalte, sollte man den höflich beantworten, dann aber weitermachen wie bisher. Wenn Kardinal Müller den Papst darauf hinwies, dass bestimmte einseitige Ausdeutungen der katholischen Theologie gegen das Lehramt verstoßen, ermunterte Franziskus ihn, einen Artikel in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ zu schreiben – die Texte blieben dann folgenlose Meinungsäußerungen. Das war ein Affront für einen Mann, der in der Nachfolge seines Lehrmeisters Joseph Ratzinger meinte, er könne und solle weiterhin verbindlich entscheiden, wo die Grenze zwischen katholisch und nicht-mehr-katholisch verläuft.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller 2014 in Altötting (Bayern)
Kardinal Gerhard Ludwig Müller 2014 in Altötting (Bayern)

© Sven Hoppe/dpa

Der am 31. Dezember 1947 im heutigen Mainz-Finthen geborene Müller ist ein Theologe von internationalem Ruf und Herausgeber der gesammelten Werke Joseph Ratzingers. Sein Buch „Katholische Dogmatik“ gilt als Standardwerk und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Schon 1997 berief Papst Johannes Paul II. den Münchener Dogmatik-Professor in die Internationale Theologenkommission, einen Thinktank für Papst und Kurie.

Auch bei seinem forschen Zugehen auf die traditionalistischen Piusbrüder entmachtete Franziskus den Pius-Kritiker Müller weitgehend: Er gab dem eigentlich Müller unterstehenden Verhandlungsführer Guido Pozzo weitgehende Entscheidungsbefugnis in diesem Prozess. Seither erhält die Piusbruderschaft schrittweise immer neue Rechte auch in der normalen Seelsorge.

Der Papst und sein Kardinal kritisierten sich auch öffentlich

Ganz schwierig wurde das Miteinander nach den Bischofs-Synoden zum Thema Familie und dem daraus entwickelten Papstschreiben „Amoris laetitia“ (2016), das Katholiken in zweiter Ehe unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Sakramenten gewährte. Immer wieder versuchte Müller, vor zu liberalen Auslegungen zu warnen – die der Papst seinerseits unterstützte. Als vier konservative Kardinäle – darunter die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller – dem Papst ihre „dubia“ (Zweifel) an der moraltheologischen Innovation veröffentlichten, machte Müller deutlich, dass er diese Kritik inhaltlich für legitim hielt. Er kritisierte lediglich die Tatsache, dass die vier Kardinäle diesen Streit mit dem Papst öffentlich auszutragen versuchten.

Vor einigen Monaten wurde schließlich bekannt, dass der Papst drei verdiente Mitarbeiter Müllers fristlos entlassen hatte, weil sie seinen kirchenpolitischen Kurs kritisierten. Müller verwahrte sich dagegen. Nach Informationen der Jesuiten-Zeitschrift „America“ sollen mehrere Kardinäle Franziskus um eine Entlassung von Müller gebeten haben, weil wiederum er sich wiederholt öffentlich von päpstlichen Positionen distanziert habe.

Kirchenvolksbewegung lobt Neuanfang

Für die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bedeutet ein Wechsel in der Glaubenskongregation im Vatikan „die wertvolle Möglichkeit einer Neuorientierung“ und eine folgerichtigen Entscheidung: „Kardinal Müller hat sich immer wieder durch seine Belehrungen und Interpretationen des Papstamtes, zuletzt in seinem Buch ,Der Papst’, zum Lehrmeister über den Papst erhoben“, heißt es in einer Mitteilung vom Samstag.

Dass Franziskus die Stelle des Präfekten nun mit einem Mann besetzt, der ihm theologisch näher steht, liegt nahe. Vielleicht wird er aber auch die Chance nutzen, die dogmatische Macht der Glaubensbehörde grundsätzlich zu beschneiden und sie noch mehr zu einem „dienenden Werkzeug“ der Weltkirche umzubauen. (KNA/dpa)

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