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Papstbesuch beim Weltjugendtag: Was erwartet Brasilien von Franziskus?

Der Papst will in Rio zu seinen geistlichen Wurzeln zurückkehren. Als Papst der Armen präsentiert er sich, so wie er es nach seiner Wahl versprochen hatte. Doch was erwarten Brasilien und die Besucher des Weltjugendtags vom Oberhaupt der katholischen Kirche?

Es wird ein echter Stressjob für die Organisatoren. Bis zu zwei Millionen Gläubigen werden in Rio erwartet, darunter vor allem Südamerikaner, die „ihren“ Papst begrüßen wollen. Die Besucher kommen nun in hunderten kirchlichen Einrichtungen sowie bei Privatleuten im riesigen Großraum Rio de Janeiro unter. In Lateinamerika leben rund 450 Millionen Katholiken, sie stellen 40 Prozent der Anhänger des Glaubens auf der Welt. Allein in Brasilien, der nach wie vor größten katholischen Nation der Welt, gibt es 123 Millionen Katholiken. Sie machen etwa 65 Prozent der Bevölkerung aus. Allerdings ist ihre Zahl in den letzten Jahren stark gefallen, weil immer mehr Menschen sich bei den offensiv werbenden evangelikalen Sekten besser aufgehoben fühlen, denen mittlerweile 43 Millionen Brasilianer anhängen. An dritter Stelle folgen mit 15,3 Millionen Menschen schon diejenigen, die sich keiner Religion zugehörig fühlen. Der Vatikan muss insbesondere vor der Entwicklung im Bundesstaat Rio de Janeiro erschrecken, der von Statistikern als brasilianischer Trendsetter angesehen wird. Nur 46 Prozent bekennen sich hier zum Katholizismus, der niedrigste Wert des Landes. Gleichzeitig machen die Evangelikalen schon 30 Prozent aus. 16 Prozent sind nicht religiös. Der Besuch des argentinischen Papstes wird nun als Chance interpretiert, den Trend umzudrehen. Tatsächlich scheint dieser Papst bei vielen einen Nerv zu treffen. Wenn man am Montagabend mit den Menschen in Rios Zentrum sprach, hörte man eins immer wieder: „simples“ sei dieser Papst. Es heißt einfach und bescheiden zugleich. Allerdings ist das eigentliche Problem der katholischen Kirche in Brasilien ihre fehlende Präsenz an den Rändern der Städte und auf dem Land. Dort haben die Evangelikalen den stärksten Zulauf. Guaratiba, wo am Donnerstag die Abschlussmesse des Papstbesuchs stattfinden wird, ist eine der der Hochburgen der Evangelikalen. Der Papst entspricht in Brasilien vom ersten Moment an dem Bild, das er von sich geprägt hat – ein Papst der Armen will er sein. In einem Mittelklasse-PKW fuhr er vom Flughafen zur Kathedrale in Rios Zentrum. Später traf er Präsidentin Dilma Rousseff mit Politikern und kirchlichen Würdenträgern und erwähnte zwar nicht direkt die Proteste gegen Brasiliens politische und ökonomische Elite, die seit Juni im Land stattfinden. Er lobte aber die Jugend, durch welche die Zukunft in die Welt käme. Präsidentin Dilma Rousseff versuchte den Schulterschluss und sagte, dass sie und Franziskus gegen die selben Gegner kämpften: Hunger und Armut. Während des Empfangs demonstrierte vor einer nahen Kirche eine Gruppe lesbischer Frauen gegen die Homosexuellenfeindlichkeit des Vatikans. Später protestierten etwa 1500 Menschen gegen Rios Gouverneur Sérgio Cabral, es kam zu Ausschreitungen und Polizeigewalt. Auf einem Plakat stand „Franziskus, du bist bei den Falschen!“ Die Kosten für den Besuch belaufen sich laut Organisatoren auf rund 125 Millionen Euro. 70 Prozent davon will man über Pilgerspenden begleichen, den Rest soll der Staat übernehmen. Über die genaue Summe gibt es Streit mit dem Vatikan, weil der die Kosten in den vergangenen Tagen immer weiter nach oben korrigierte. Philipp Lichterbeck

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