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Papstbesuch: Türkischer Abgeordneter nennt Papst "Faschisten-Kreuzfahrer"

Im Vorfeld des Papst-Besuches in der Türkei häufen sich die kritischen Stimmen aus Ankara. Während die politische Führung Benedikt ignorieren will, stellen sich Abgeordnete der regierenden AKP klar gegen den "dummen und hinterhältigen" Besucher.

Istanbul - Traditionelle türkische Gastfreundschaft sieht anders aus. "Der Papst soll nicht kommen", sagt Ibrahim Hakki Askar, ein Parlamentsabgeordneter der islamisch geprägten Regierungspartei AKP. "Dumm und hinterhältig" sei Benedikt XVI., sagt die islamistische Partei SP, die an diesem Sonntag gegen den Papst demonstrieren will. Der Papst sei ein "deutscher Kreuzfahrer-Faschist", verkündet die rechtsgerichtete Partei BBP. Nicht nur die Regensburger Rede Benedikts, die in der islamischen Welt als Beleidigung aufgefasst wurde, sorgt im Vorfeld des am Dienstag beginnenden Besuches für Verstimmung. Die Papstreise ist in der Türkei kurz vor dem wichtigen Wahljahr 2007 zu einem Thema der Innenpolitik geworden. Der dritte Besuch eines Papstes in der Türkei dürfte deshalb zum bisher schwierigsten werden.

Von sich aus wäre die AKP-Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wohl kaum auf den Gedanken gekommen, den Papst einzuladen. Ankara sah sich vielmehr gezwungen, die Einladung auszusprechen, nachdem der Papst vom orthodoxen Patriarchen Bartholomäus zu einem Gespräch über die Wiederannäherung zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche nach Istanbul gebeten worden war.

Erdogan und Gül wollen Papst nicht sehen

Als der Papst dann in Regensburg von einer angeblichen Tendenz des Islam zur Gewalt und zur Irrationalität sprach, reagierte Erdogan verschnupft. Nun ist unübersehbar, dass sich der Ministerpräsident lieber nicht mit dem Papst fotografieren lassen will - der radikalere Teil der türkischen Islamisten könnte das im beginnenden Wahlkampf ausschlachten. Erdogan wird während des Papstbesuches beim Nato-Gipfel sein, und auch sein Außenminister Abdullah Gül hat unaufschiebbare Termine im Ausland.

Es geht aber nicht nur um die kühle Haltung der Regierung. In einer Umfrage äußerten nur zehn Prozent der Türken Zustimmung zu dem Besuch. Islamisten und Nationalisten sehen im Papstbesuch und in der Abneigung der Öffentlichkeit gegen Benedikt eine Gelegenheit, sich zu profilieren, die Regierung als Verräter des Islam hinzustellen und die EU-Ambitionen des Landes durch spektakuläre Aktionen weiter zu erschüttern. Nicht zuletzt deshalb werden nach Presseberichten 15.000 Polizisten während des Besuches aufgeboten. Benedikt gilt bei seinen Besuchsstationen in Ankara, Ephesus und Istanbul als gefährdet.

Vielzahl von Protestaktionen geplant

Nationalisten demonstrierten bereits in der Hagia Sophia in Istanbul, andere Gruppen wollen während des Besuches mit Booten auf dem Goldenen Horn gegen den Papst protestieren, die Islamisten planen für Sonntag eine Großdemonstration. Der Istanbuler Polizeichef Celalettin Cerrah inspizierte bereits alle neuralgischen Punkte in der Stadt. Die ehemalige byzantinische Basilika Hagia Sophia, die Benedikt ebenfalls besuchen will, erhielt eine zusätzliche Polizeibewachung.

Die Vorwahlstimmung verbietet es der Erdogan-Regierung ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen, den Papst gegen die Proteste entschieden in Schutz zu nehmen. Solche Demonstrationen seien "normal", sagte der Regierungschef, sein Parteifreund Askar forderte sogar, die Proteste müssten sich im Verhalten der Politiker gegenüber dem Papst "widerspiegeln". Dennoch ist Erdogan an einem Erfolg des Besuches interessiert, weil er sich selbst und sein Land als Vermittler zwischen dem Westen und der islamischen Welt versteht.

Deshalb bemühen sich die türkischen Behörden und der Vatikan, in der noch verbleibenden Zeit bis zum Besuch positive Akzente zu setzen. Der Papst werde wahrscheinlich beim Angelus-Gebet an diesem Sonntag in Rom einige versöhnliche Worte an die Türkei richten, meldeten türkische Zeitungen. Außerdem wird überlegt, ob der Papst in Istanbul neben der Hagia Sophia auch die Blaue Moschee besuchen soll, um ein Zeichen für den Dialog mit dem Islam zu setzen. Dass diese Geste die vielen Papst-Kritiker in der Türkei beruhigen wird, ist aber unwahrscheinlich. Paul VI. und Johannes Paul II. hatten es bei ihren Türkei-Besuchen 1967 und 1979 einfacher als Benedikt. (Von Thomas Siebert, AFP)

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