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Gaddafi

© AFP

Paris: Offener Streit in Frankreichs Regierung um Gaddafi-Besuch

Präsident Sarkozy empfängt derzeit den libyschen Machthaber Gaddafi in Paris - und stößt damit auf Widerstand bei seiner eigenen Regierung. Gaddafi selbst äußerte Verständis für Terroristen, die gegen den Westen in den Krieg ziehen.

In Frankreichs Regierung ist ein heftiger Streit über den Besuch des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi ausgebrochen. Präsident Nicolas Sarkozy empfing Gaddafi gleich nach der Ankunft in Paris im Élyséepalast und wollte mit ihm später zu Abend essen. Außenminister Bernard Kouchner und Menschenrechts-Staatssekretärin Rama Yade kritisierten die Visite scharf.

Der Besuch falle ausgerechnet auf den Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, schrieb Kouchner in einem Beitrag für die Tageszeitung "La Croix". Jeder Aktivist erinnere sich, dass Gaddafi "professionell" Menschenrechte verletzt habe, sagte Kouchner. Die Leiden seiner Opfer dürften nicht vergessen werden, fügte der Mitgründer der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hinzu.

Gaddafi, der bis Samstag in Paris bleiben will, hatte am Rande des EU-Afrika-Gipfels am Wochenende Verständnis für den Terrorismus geäußert. "Die Supermächte verstoßen gegen das internationale Recht, da ist es nicht verwunderlich, dass die Schwachen zum Terrorismus greifen." Eine Meinungsumfrage für die Zeitschrift "Paris Match" ergab, dass 61 Prozent der Franzosen gegen den Besuch sind. Frankreichs Wirtschaft kann allerdings mit milliardenschweren Aufträgen für Flugzeuge, Waffen und Atomtechnologie rechnen.

Bulgarische Krankenschwestern sagen Paris-Reise ab

Staatssekretärin Yade wurde nach scharfer Kritik in einem Interview der Zeitung "Le Parisien" am Vormittag ins Präsidialamt zitiert. "Gaddafi muss begreifen, dass unser Land kein Fußabtreter ist, auf dem sich ein Staatsführer, ob Terrorist oder nicht, das Blut seiner Untaten abstreifen kann", sagte sie.

Es ist der erste Besuch Gaddafis in Paris seit 34 Jahren. Im April 2004 war Gaddafi nach 15 Jahren erstmals wieder nach Brüssel zur Europäischen Union gereist. Libyen war bis dahin als Drahtzieher von Terroranschlägen international isoliert. Das Land hat unter anderem die Verantwortung für den Anschlag auf ein Pan-Am-Flugzeug im Jahr 1988 übernommen. Bei der Explosion der Maschine über dem schottischen Lockerbie waren 270 Menschen ums Leben gekommen.

Gaddafi und Sarkozy hatten bereits im Juli in Libyen Verträge über die Lieferung von Atomtechnik und militärischer Ausrüstung unterzeichnet. Eine Absichtserklärung sah den Bau eines Kernreaktors bei Tripolis vor, der Energie für eine Entsalzungsanlage liefern soll. Sarkozy war damals kurz nach der Freilassung der acht Jahre lang in Libyen inhaftierten Bulgarinnen nach Tripolis gefahren. Die bulgarischen Krankenschwestern sagten eine Reise nach Paris wegen des Gaddafi-Besuchs ab. (jvo/dpa)

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