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Politik: Paris will Vertrauen in die Europäische Union stärken

Bürgernähe, Wirtschafts-Wachstum und EU-Reform: Dies sind die Schwerpunkte der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt. Darauf haben sich Präsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin in wochenlangen Konsultationen geeinigt.

Bürgernähe, Wirtschafts-Wachstum und EU-Reform: Dies sind die Schwerpunkte der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt. Darauf haben sich Präsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin in wochenlangen Konsultationen geeinigt. Frankreich sei fest entschlossen, die gegenwärtige Vertrauenskrise in die EU und den Euro durch "effizientere Strukturen" überwinden zu helfen, erklärte Jospin in der Pariser Nationalversammlung.

Für seine vielbeachtete Rede hatte Jospin den 50. Jahrestag der sogenannten "Schumann-Erklärung" gewählt. Am 9. Mai 1950 hatte der ehemalige französische Außenminister Robert Schumann erstmals die - pragmatischen - Prinzipien der europäischen Einigung formuliert. Auch er sehe sich als Pragmatiker in der Europadebatte, betonte nun Jospin. Der französischen EU-Präsidentschaft gehe es vor allem darum, die "Fundamente des europäischen Hauses zu festigen", um es später zu erweitern.

Über die Details der französischen EU-Ratspräsidentschaft wird offenbar weiter zwischen Chirac und Jospin, aber auch mit Deutschland diskutiert. Klar ist bisher nur, dass es entgegen ursprünglichen Ankündigungen keine verbindliche "Sozial-agenda" nach dem Muster der Maastrichter Konvergenzkriterien geben wird. Auch die Politische Union, die Paris lange Zeit zur Vollendung der Währungsunion gefordert hatte, wird zurückgestellt.

Vorrang soll zunächst die EU-Reform genießen, der ein Gipfeltreffen im Dezember in Nizza gewidmet ist. Bei den strittigen Fragen - der künftigen Zusammensetzung der EU-Kommission, dem Mehrheits-Stimmrecht und der Stimmgewichtung im EU-Rat - zeichnet sich allerdings noch keine Einigung ab. Auch die vor allem in Deutschland geführte Debatte um ein künftiges "Kerneuropa" kommt nicht von der Stelle. Frankreich bevorzugt eine "variable Geometrie" für jene Länder, die in einzelnen Politikfeldern weitergehen möchten als die EU.

Chirac fordert Bürgernähe

Der zweite Schwerpunkt gilt der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ursprünglich wollte sich Frankreich darauf beschränken, die in Lissabon beschlossenen Ziele durch eine ehrgeizige "Sozialagenda" abzurunden und das "europäische Sozialmodell" zu erneuern. Der anhaltende Streit um die Steuerharmonisierung und die anhaltende Euroschwäche dürften Paris indes zwingen, auch diese Themen zu behandeln. Finanzminister Fabius denkt unter anderem daran, den Euro-11-Rat zu stärken. Der jeweils amtierende Präsident der Euro-11-Gruppe könnte zu einem veritablen "Finanzminister der Eurozone" aufgewertet werden.

Der dritte Schwerpunkt der französischen EU-Ratspräsidentschaft lautet "Bürgernähe". Sie liegt vor allem Präsident Chirac am Herzen, der auf Europakritiker im eigenen gaullistischen Lager Rücksicht nehmen muss. Frankreich wünsche sich ein "Europa der Völker im Dienste der Bürger", sagte Chirac. Als Beispiel wird neben der Europäischen Grundrechtscharta vor allem die "Sicherheit" genannt. Paris will den traditionellen Sicherheitsbegriff erweitern und auf neue Themen wie Lebensmittel (Stichwort: BSE-Krise) oder Umweltschutz (Stichwort: Ölpest in der Bretagne) anwenden.

Insgesamt gehe es darum, die europäische Vertrauenskrise zu überwinden und die Weichen für die geplante EU-Erweiterung zu stellen. Frankreich könne diese Aufgabe allerdings nicht im Alleingang bewältigen, betonen die Verantwortlichen an der Seine. Vor allem Berlin müsse helfen, den "deutsch-französischen Motor für Europa" auf Trab zu bringen. Eine erste Gelegenheit dazu dürfte sich am 19. Mai bieten. Dann wollen sich Präsident Chirac, Premier Jospin und Kanzler Schröder zu einem informellen "Gipfel" in Rambouillet bei Paris treffen.

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