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Politik: Parlament ohne Regierung

In Bagdad ist die neue Volksvertretung zusammengekommen. Schiiten und Kurden streiten um die Macht

Die Stimmung war feierlich, aber eine Stunde des Triumphs für die irakische Demokratie wurde es nicht. Die erste Sitzung der neuen irakischen Nationalversammlung am Mittwoch in Bagdad hatte eher zeremoniellen Charakter. Denn eine neue Regierung konnte auch sieben Wochen nach der Parlamentswahl wegen Differenzen zwischen Kurden und Schiiten noch nicht vorgestellt werden. Da zudem der Posten des Parlamentssprechers Teil eines Gesamtpaketes ist, wurde auch die Wahl eines Sprechers, der Einfluss auf die anstehenden Verhandlungen über eine endgültige Verfassung hat, verschoben.

Kurz bevor die Sitzung mit einem Gebet eröffnet wurde, erschütterten Explosionen in der Nähe die Fenster des Tagungsgebäudes. So blieb dem noch amtierenden Premier Ijad Allawi nur, den Wählern dafür zu danken, dass sie trotz der Drohungen von Terroristen zur Wahl gegangen sind. Doch jene Wähler werden langsam ungeduldig. Denn seit dem Wahltag am 30. Januar hat sich für sie nicht viel geändert. Die Gewalt geht weiter und es gibt immer noch keine neue Regierung.

Dabei hatten die schiitische Allianz, welche über 146 der 275 Parlamentssitze verfügt, und die beiden Kurdenparteien, die gemeinsam 77 Abgeordnete stellen, bereits einen Koalitionsentwurf ausgearbeitet. Doch am Sonntag verwarfen die Kurden die vorläufige Einigung. DieVerhandlungen scheiterten an zwei Punkten: Nach Angaben des Kurdenführers Dschalal Talabani, der für den Posten des Staatspräsidenten im Gespräch ist, gibt es Uneinigkeit über die kurdischen Milizen (Peschmerga) und über den Status der Stadt Kirkuk, in deren Umgebung große Erdölquellen liegen.

Die Kurden, lange vom Regime Saddam Husseins verfolgt, wollen Garantien dafür, dass ihre Kämpfer weiter für die Sicherheit der drei kurdischen Provinzen Erbil, Dahuk und Sulaimanija zuständig sind. Andere irakische Sicherheitskräfte sollen nur mit Zustimmung der kurdischen Regionalregierung in den seit zehn Jahren de facto autonomen Provinzen stationiert werden. Zudem fordern sie konkrete Zusagen, dass zehntausende Kurden, die aus Kirkuk vertrieben wurden, dorthin zurückkehren dürfen.

Nach den bisherigen Verhandlungen zeichnete sich ab, dass der Kurdenführer Dschalal Talabani den Posten des Staatspräsidenten erhält. Interimspremier Allawi, ein Schiit, ist für einen der beiden Stellvertreterposten im Gespräch, der andere soll von einem Sunniten besetzt werden. Als Parlamentssprecher könnte Fawaz al Jarba in Frage kommen, einer der wenigen Sunniten, der auf der schiitischen Wahlliste kandidiert hat. Als Premier hatte sich die schiitische Wahlallianz auf den Vorsitzenden der islamistischen Dawa-Partei geeinigt, Ibrahim al Dschaafari. Es wäre aber auch denkbar, dass der schiitische Block nun den bisherigen Finanzminister Abel Abdel Mahdi nominiert. Er ist ein stärker säkular eingestellter Schiit mit guten Kontakten zu Talabani und damit für Kurden akzeptabler.

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