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Parlamentsverfahren: Die obskure Rehabilitation der "Kriegsverräter"

Selbst die Union will nun Kriegsverräter rehabilitieren – so wie die Linkspartei seit Langem. Trotzdem wird die Linke im parlamentarischen Verfahren ausgegrenzt

Die gute Nachricht zuerst: 64 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden alle während des Zweiten Weltkrieges wegen Kriegsverrats verurteilten Wehrmachtssoldaten pauschal rehabilitiert. Das hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags an diesem Mittwoch beschlossen. Die offizielle Verabschiedung der entsprechenden Gesetzesänderungen durch den Deutschen Bundestag am 8. September wird dann nur noch eine Formsache sein.

Damit wird nun endlich jenen Menschen eine späte Wiedergutmachung zuteil, die – sofern sie ihre Verurteilung wegen Landesverrats durch NS-Militärgerichte überhaupt überlebten – womöglich ein Leben lang unter diesem Stigma gelitten haben. Doch auch für noch lebende Angehörigen ist die Entscheidung wichtig. Sie wissen nun, dass sie sich des "Verräters" in der Familie nicht länger zu schämen brauchen.

Das war lange nicht selbstverständlich. Als unter der rot-grünen Regierung 2002 Deserteure und Kriegsdienstverweigerer rehabilitiert wurden, wurden Kriegsverräter noch ausgenommen. Man könne nicht ausschließen, dass unter ihnen auch Menschen gewesen seien, die ihren eigenen Kameraden Schaden zugefügt hätten, so die Begründung.

Erst unter dem Eindruck neuerer Forschung änderte sich diese Wahrnehmung. Bisher sei kein einziger Fall nachgewiesen, in dem ein Betroffener tatsächlich schweren Landesverrat begangen habe, urteilt etwa der Historiker Wolfram Wette. Als Landesverrat geahndet werden konnte nach Paragraf 57 des NS-Militärstrafrechts vielmehr jedwedes Verhalten, durch das "dem Feind ein Vorteil" entstanden sein könnte. Darunter fielen sehr verschiedene Delikte, beispielsweise auch der Besitz kritischer Flugblätter oder Hilfe für verfolgte Juden.

Den Durchbruch in der öffentlichen Debatte brachte jedoch ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Hugo Klein. Dieser kam zu dem Schluss, dass die NS-Urteile wegen Kriegsverrats grundsätzlich nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu vereinbaren seien und folglich aufgehoben werden müssten. Diese Argumentation überzeugte schließlich auch die Union, die am längsten auf einer Einzelfallprüfung beharrt hatte.

Obskur erscheint allerdings das parlamentarische Verfahren, das mit dieser überfälligen Gesetzeskorrektur verbunden ist. Denn ausgerechnet die Partei, die sich am nachhaltigsten und frühesten für diese speziellen Opfer der NS-Justiz eingesetzt hatte, die Linkspartei nämlich, durfte den Gesetzesentwurf, den der Ausschuss nun beschlossen hat, auf Wunsch der Union nicht mit einbringen.

Das ist umso erstaunlicher, als es sich bei dem jetzigen Entwurf, der sich inhaltlich nicht wesentlich von dem unterscheidet, den die Linke bereits im Herbst 2006 vorgestellt hatte, nicht um ein Papier der Regierungsfraktionen handelt, sondern um eine Vorlage, die auch von den Grünen und der FDP mitgetragen wird. Allein die Unterschrift der Linken, die den Antrag gerne unterstützt hätte, war nicht erwünscht.

"Es ist Leitlinie der Union, generell keine gemeinsamen Gesetzentwürfe oder Anträge mit den Erben der Partei, die für Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl verantwortlich ist, einzubringen", erläuterte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Gehb diese Haltung am Mittwoch im Gespräch mit ZEIT ONLINE.

Jan Korte, der 32-jährige Abgeordnete der Linkspartei, dessen Engagement es im Wesentlichen zu verdanken ist, dass das Thema in der vergangenen Legislaturperiode überhaupt auf der Tagesordnung stand, reagiert auf derartige Anwürfe gelassen. Die Haltung der Union findet er zwar kleinlich und unsouverän. Doch in der Sache zeigt er sich mit dem Gesetzentwurf der anderen Parteien sehr zufrieden. Die Rehabilitierung der Kriegsverräter war ihm ein Herzensanliegen. Und inhaltlich gesehen wird nun schließlich genau das beschlossen, wofür er seit über drei Jahren gekämpft hat.

Wenn der Bundestag am 8. September endgültig über das Gesetz abstimmen wird, wird die Linkspartei übrigens ebenfalls zustimmen. Dagegen hat nicht einmal die Union etwas einzuwenden.

Quelle: ZEIT ONLINE, 26.8.2009

Katharina Schuler

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