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Parlamentswahl: Hamas siegt mit absoluter Mehrheit

Die Hamas hat bei den Parlamentswahlen der Palästinenser auf Anhieb die absolute Mehrheit der 132 Mandate gewonnen. Ausländische Politiker forderten die extremistische Organisation auf, ihre Waffen niederzulegen.

Ramallah/Brüssel - Umbruch im Nahen Osten: Drei Wochen nach dem Ende der Ära Scharon in Israel haben die Palästinenser die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte Hamas-Bewegung an die Macht gewählt. Regierungschef Ahmed Kurei von der Fatah- Organisation erklärte seinen Rücktritt. Im Westen wurde der Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas angesichts der unabsehbaren Folgen für den Nahostfriedensprozess mit großer Sorge verfolgt. US-Präsident George W. Bush und die EU forderten die Hamas am Donnerstag auf, der Gewalt abzuschwören. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will an ihrer für das Wochenende geplanten Nahost-Reise festhalten. Israel bekräftigte die Ablehnung von Verhandlungen mit Hamas.

Die Palästinensische Wahlkommission bestätigte am Donnerstagabend nach Auszählung von etwa 95 Prozent der abgegebenen Stimmen, dass Hamas die absolute Mehrheit im Parlament erzielte. Demnach erhält die Hamas 76 der 132 Mandate. Die bisher regierende Fatah kommt nur noch auf 43 Sitze. Die übrigen Sitze gingen an unabhängige Kandidaten und kleinere Listen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kündigte an, er wolle die Hamas, die zum ersten Mal bei einer Parlamentswahl angetreten war, mit der Regierungsbildung beauftragen. Der bisherige Regierungschef Kurei sagte, er wolle mit seinem Rücktritt den Weg zur Nominierung eines neuen Ministerpräsidenten freimachen. Der zur Fatah gehörende palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat betonte, die Fatah sei nicht zum Eintritt in eine Koalition bereit.

Der israelische Rundfunk meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Israel werde keine Gespräche mit der Hamas führen. Der amtierende Regierungschef Ehud Olmert berief am Abend eine Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts ein, um über das Ergebnis der Wahl zu beraten. Der Verband israelischer Terroropfer äußerte sich empört über den Sieg der Hamas, die Hunderte von Israelis bei Selbstmordanschlägen getötet hat.

US-Präsident George W. Bush forderte die Hamas auf, dem Ziel einer Vernichtung Israels abzuschwören. Niemand könne sich an einem Friedensprozess beteiligen, der seinen Partner zerstören wolle, sagte Bush am Donnerstag in Washington. «Man kann auch nicht ein Partner für den Frieden sein, wenn man als Partei einen bewaffneten Flügel hat.» Die USA hofften, dass Präsident Abbas im Amt bleiben und daran arbeiten werde, den Friedensprozess voran zu bringen, betonte der US- Präsident.

Ein Hamas-Wahlsieg verändert nach Einschätzung der EU die Lage in Nahost grundlegend. «Die Ergebnisse dürften uns mit einer völlig neuen Situation konfrontieren, die wir beim EU-Außenministertreffen am nächsten Montag diskutieren werden», sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana in Brüssel. Auch das so genannte Nahost-Quartett USA, EU, Russland und UN werde die Lage am Montag in London erörtern. EU- Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte, die EU wolle mit jeder künftigen palästinensischen Regierung zusammenarbeiten, solange diese nur friedliche Mittel einsetze.

In Berlin erklärte ein Regierungssprecher, Bundeskanzlerin Merkel wolle ungeachtet des Wahlsiegs der Hamas an ihrer Nahost-Reise festhalten. Merkel will am Sonntag nach Israel fliegen und am Montag auch die Palästinensergebiete besuchen. Auf dem Programm steht ein Treffen mit Präsident Abbas. Der Hamas-Wahlsieg wurde in Berlin ebenso wie in anderen europäischen Hauptstädten mit Zurückhaltung und Besorgnis aufgenommen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte: «Wir können uns unterschiedliche Kräfte in der Regierung vorstellen.» Voraussetzung sei allerdings, dass Hamas der Gewalt abschwöre und das Existenzrecht Israels anerkenne. «Das scheint für die Hamas noch ein weiter Weg zu sein», sagte der Minister.

Präsident Abbas rief nach der Niederlage der Fatah zur Ruhe und zur Anerkennung der Parlamentswahl auf. Abbas betrachte den Verlauf der Wahl vom Vortag als fair und transparent, sagte sein Sprecher Nabil Abu Rudeineh. EU-Wahlbeobachter schätzten die Wahl vom Mittwoch als «offen und fair» ein. In ihrem vorläufigen Bericht war die Rede von einem «wichtigen Meilenstein» auf dem Weg zu demokratischen Institutionen.

In Ramallah versuchten Hamas-Anhänger, gewaltsam die grüne Fahne ihrer Bewegung an dem Parlament zu hissen. Dabei sei es zu Zusammenstößen mit der Polizei und Gefolgsleuten der abgewählten Fatah-Organisation gekommen, berichteten Augenzeugen. Es habe Schlägereien und Steinwürfe gegeben.

Der frühere israelische Botschafter in den USA und langjährige Berater des im Koma liegenden Ministerpräsidenten Scharon, Salman Schoval, verglich die Parlamentswahl in den Palästinensergebieten mit der Situation 1933 in Deutschland. Demokratische Wahlen hätten eine undemokratische, terroristische Partei, die von der Zerstörung Israels spreche, an die Macht gebracht, sagte Schoval. (tso/dpa)

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