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Eine Familie und ziemlich viele Soldaten bei der Abstimmung in einem Wahllokal in Kiew.

© rtr

Parlamentswahl in der Ukraine: Abschied vom alten System

An diesem Sonntag vollzieht sich der Umbruch in der Ukraine nun auch im Parlament. Auch wenn die Rebellen im Osten keine Wahl zulassen, ist es die wichtigste Abstimmung seit der Unabhängigkeit des Landes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Über die Ukraine lässt sich in diesen Wochen kaum etwas Optimistisches sagen. Ein Krieg, in dem mehr als 3000 Menschen getötet wurden, ein Waffenstillstand, der fast täglich gebrochen wird, ein ungelöster Konflikt mit dem großen Nachbarn Russland. Dazu die von Russland de facto annektierte Krim – und eine Region im Osten des Landes, in der die ukrainische Regierung in weiten Teilen keine Kontrolle hat. Ein Ende dieses Konflikts ist überhaupt nicht absehbar.

Mitten in diesem andauernden Konflikt wird am Sonntag in der Ukraine ein neues Parlament gewählt. Ist das überhaupt der richtige Zeitpunkt für eine Wahl? In mehr als der Hälfte der Wahlbezirke im Donbass kann die Abstimmung gar nicht erst stattfinden, die Direktmandate für die Krim bleiben unbesetzt. Die politische Landschaft erscheint auf den ersten Blick unübersichtlich, wenn nicht zersplittert: Insgesamt wollen 29 Parteien den Sprung in die Werchowna Rada schaffen.

Menschen auf dem Maidan wollten eine andere, neue Ukraine

Doch die Ukraine steht vor der wichtigsten Wahl seit der Unabhängigkeit des Landes. Denn erst mit dem neuen Parlament vollzieht sich endgültig der Abschied vom System des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Die Ukrainer haben endlich wieder die Chance, in einer freien Wahl selbst die politische Zukunft ihres Landes mitzubestimmen. Die Menschen auf dem Maidan in Kiew sind im vergangenen Winter für eine andere, eine neue Ukraine auf die Straße gegangen, für ein an europäischen Werten orientiertes Land. Sie wollten die das Land beherrschende und lähmende Korruption loswerden, der Janukowitsch mit seiner ebenso maßlosen wie geschmackloser Residenz ein unfreiwilliges Denkmal gesetzt hat.

Kampf gegen Korruption hat noch nicht begonnen

Die Aufbruchstimmung vom Maidan wurde mittlerweile abgelöst vom Alltag in einem Land, das sich im Krieg befindet. Der Kampf gegen die Korruption hat noch gar nicht richtig begonnen, auch andere Reformen kommen derzeit nicht wirklich voran.

In einem Wahllokal in Kiew bügelt eine Frau Vorhänge in den ukrainischen Landesfarben gelb und blau.
Letzte Vorbereitungen in einem Wahllokal in Kiew.

© Reuters

Das bisherige Parlament spiegelt den gesellschaftlichen Umbruch noch nicht wider. Viele Abgeordnete von Janukowitschs Partei der Regionen sind zwar nicht mehr dabei, aber neue Repräsentanten für die Menschen im Osten der Ukraine gibt es nicht. Zugleich hat die nationalistische Partei Swoboda mehr Sitze, als ihrem tatsächlichen Rückhalt in der Bevölkerung entspricht. Die Kritiker des Maidan sprachen lange von einem „Putsch“ in Kiew und argumentierten, das Parlament sei nicht demokratisch legitimiert.

Vielzahl von Parteien nicht untypisch für junge Demokratie

Mit der Wahl am Sonntag vollzieht sich der gesellschaftliche Umbruch in der Ukraine nun auch im Parlament. Die Vielzahl von Parteien und Kandidaten, die auf den ersten Blick unübersichtlich wirken mag, ist nicht untypisch für eine noch junge Demokratie. Eine Fünf-Prozent-Hürde bewirkt wie in Deutschland, dass am Ende nicht mehr als fünf oder sechs Parteien den Einzug ins Parlament schaffen werden. Einige Kandidaten sind politisch völlig unerfahren und erhielten nur deshalb einen Listenplatz, weil sie als „Kriegshelden“ gelten. Aber auf der anderen Seite kandidieren auch Aktivisten und Journalisten, die sich seit Jahren gegen Korruption engagieren und nun bei der politischen Umsetzung mithelfen wollen. Damit versuchen sie zumindest, ein wenig von der Aufbruchstimmung vom Maidan in den politischen Alltag zu retten.

In dieser für die Ukraine so überaus schwierigen Zeit könnten die Wahlen also ein wenig Hoffnung machen.

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