zum Hauptinhalt
Starker Auftritt. Wahlsieger Andrej Babis präsentierte sich nach der Abstimmung mit einem Tiger-Baby. Seine Partei erhielt 18,7 Prozent der Stimmen.

© dpa

Parlamentswahl in Tschechien: Keine neue Regierung in Sicht

Die neugegründete ANO von Milliardär Babis wird bei den Wahlen in Tschechien zweitstärkste Partei. Die Regierungsbildung könnte nun schwierig werden.

Das Blitzlichtgewitter beginnt, als sich zum großen Gewinner der Wahlen ein Tiger-Baby gesellt. Andrej Babis steht hinter dem Rednerpult und will eigentlich erklären, wie es jetzt weitergeht in der tschechischen Politik, da betritt ein befreundeter Zirkusdirektor mit der kleinen Raubkatze das Podium und überreicht sie Babis, der das Tier daraufhin knuddelt. Es ist wohl das symbolkräftigste Bild der Prager Parlamentswahlen – der Neuling Andrej Babis und das Tiger-Baby, das sehr bald zu einem Kraftpaket heranwachsen wird.

Mit 18,7 Prozent der Stimmen ist die neu gegründete Partei ANO des Milliardärs Andrej Babis auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft des Landes geworden; eine Partei, die als Sammelbecken der Unzufriedenen fungierte und kein politisches Programm vorzuweisen hat. Einzig die Sozialdemokraten (CSSD) sind mit 20,5 Prozent leicht stärker. Für die Traditionspartei ist das Ergebnis allerdings mit deutlichen Verlusten verbunden. Die einstige konservative Volkspartei ODS, deren Premierminister Petr Necas nach einem Abhörskandal und Korruptionsvorwürfen im Juni zurücktrat, wurde von den Wählern regelrecht abgestraft und erreichte lediglich 7,7 Prozent. „Die bisherigen Regierungsparteien haben versagt und die Opposition, die sie ersetzen sollte, auf gewisse Weise ebenso“, sagte Präsident Milos Zeman im tschechischen Fernsehen.

Die Regierungsbildung in Tschechien wird schwierig

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Regierungsbildung lange dauern könnte: Sieben Parteien haben es ins Abgeordnetenhaus geschafft. Damit eine Koalition über ausreichend Stimmen verfügt, ist ein Zusammenschluss von mindestens drei, wenn nicht gar vier Parteien nötig. Wegen der starken programmatischen Gegensätze und häufig auch persönlichen Animositäten in der tschechischen Politik dürfte allein das schwierig werden. Er rechne mit einer Regierungsbildung innerhalb von zwei bis drei Monaten, sagte Präsident Zeman in Prag. Der Chef der CSSD, Bohuslav Sobotka, bezeichnete die „Zerrissenheit“ des Abgeordnetenhauses als Enttäuschung: „Unser Ziel war es, eine stabile und handlungsfähige Regierung zusammenzustellen.“ Das werde unter diesen Umständen nicht leicht.

Für die von vielen Sozialdemokraten bevorzugte Option einer Regierung unter kommunistischer Duldung wird es in jedem Fall nicht reichen: Die orthodoxen tschechischen Kommunisten haben zwar mit 14,9 Prozent ein neues Spitzenergebnis erzielt, aber wegen der Schwäche der Sozialdemokraten stellen sie gemeinsam keine Mehrheit. Indes wird bei den Sozialdemokraten der Ruf nach einer Ablösung Sobotkas laut. Nachfolger und damit möglicher Premierminister könnte Michal Hasek werden, dem ein enger Draht zu Präsident Zeman nachgesagt wird.

Eine Dreierkoalition könnte die Lösung sein

Als wahrscheinliche Option gilt in Tschechien eine Dreierkoalition, zu der sich neben der CSSD noch die Bewegung von Milliardär Andrej Babis und die kleine christdemokratische Partei KDU-CSL zusammenschließen könnten. Gemeinsam hätten sie eine bequeme Mehrheit von 111 der 200 Parlamentssitze. „Es gibt eine Reihe von Punkten, über die wir miteinander einig sind. Eine Regierung muss das Wirtschaftswachstum fördern und einige ungerechte Reformen aus der Vergangenheit rückgängig machen“, sagte CSSD-Chef Sobotka über die Dreier-Option. Milliardär Andrej Babis, der seine Partei quasi im Alleingang nach außen vertritt, zeigte sich wesentlich zurückhaltender. „Wenn wir angesprochen werden, verhandeln wir natürlich“, sagte er, Priorität habe eine Regierungsbeteiligung für ihn allerdings nicht. Beobachter gehen dagegen davon aus, dass Babis als pragmatisch denkender Unternehmer sich noch umstimmen lassen könnte, zumal alle anderen denkbaren Koalitionen weitaus größere programmatische Unterschiede überbrücken müssten.

Präsident Milos Zeman, der nach der tschechischen Verfassung einen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen muss und dadurch starke Einflussmöglichkeiten auf die Gestalt der Koalition hat, äußerte bereits, man solle der Partei des Milliardärs Andrej Babis eine Chance einräumen: „Geben wir ihnen 100 Tage, damit sie ihre Unzufriedenheit in konkrete Gesetzesentwürfe umformen können.“ Mit dem Beginn der Sondierungsgespräche wird frühestens am Mittwoch gerechnet, weil der Milliardär und denkbare Finanzminister Babis sich bis dahin eine Auszeit in seiner südfranzösischen Villa nimmt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false