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Pablo Iglesias (Mitte) will mit seiner linken Protestpartei Podemos die Verhältnisse in Spanien auf den Kopf stellen.

© AFP

Parlamentswahl: Spaniens junge Wilde im Aufbruch

Bei der Parlamentswahl droht Regierungschef Mariano Rajoy eine schwere Schlappe. Seine Partei droht im Korruptionsstrudel unterzugehen.

In vielen europäischen Ländern steigen die rechten und rechtspopulistischen Parteien auf. In Spanien lassen derweil linke und liberale Protestparteien den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zittern, den eine schwere Schlappe bei der Parlamentswahl am Sonntag erwartet. Statt fremdenfeindlicher Sprüche bestimmte vielerorts revolutionäre Aufbruchstimmung den Wahlkampf.
Eine Wahlschlacht, in der die linksalternative Empörten-Bewegung Podemos („Wir können“) und die liberale Plattform Ciudadanos („Bürger“) den Traditionsparteien kräftig einheizten. Podemos-Kandidat Pablo Iglesias (37) wie Ciudadanos-Chef Albert Rivera (36), zwei außerordentlich charismatische Redner, füllten bei ihren Auftritten problemlos Spaniens größte Sporthallen und wurden dort von ihren Anhängern wie Popstars gefeiert. Und mit Jubel-Sprechchören wie „Wir können es schaffen“ oder „Albert, Regierungschef“ verabschiedet.
„Ein Land mit dir“, lautet das Podemos-Motto, in dem sich die Idee der Basisdemokratie und Bürgernähe widerspiegelt, die sich die aus Straßenprotesten entstandene Bewegung auf die Fahnen schrieb. Ciudadanos trat unter dem Slogan „Mit Illusion“ an, der Hoffnung auf den politischen Wandel in jenem Königreich wecken soll, in dem die Massenarbeitslosigkeit und die verbreitete Korruption als größte Probleme gelten.
Die Meinungsforscher sind sich einig, dass Spaniens Parteienlandschaft, in der bisher die regierenden Konservativen und die oppositionellen Sozialisten als Platzhirsche galten, ein politisches Erdbeben erwartet. Und dass Rajoys konservative Volkspartei in der Parlamentswahl auf unter 30 Prozent stürzen wird und ihre bequeme absolute Mehrheit, die sie 2011 mit 45 Prozent errang, verlieren wird.

Zahlreiche Korruptionsskandale belasten die Konservativen

Unklar ist, wie es nach dieser erwarteten Ohrfeige für die Konservativen, die eine Abstrafung wegen zahlreicher Korruptionsskandale und ihres harten Sparkurses erwartet, weitergehen wird. Zwar liegt in den Umfragen der 60-jährige Rajoy noch vorn, doch könnte es ein bitterer Sieg werden. Denn die Konservativen werden vermutlich keine regierungsfähige Mehrheit mehr haben, und alle Oppositionsparteien haben geschworen, Rajoy nicht zu unterstützen.
Auch der neue liberale Polit-Star Albert Rivera, der ideologisch noch am ehesten Berührungspunkte mit der konservativen Volkspartei hätte, denkt nicht daran, Rajoy als Juniorpartner zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. „Wir wollen keinen Pakt mit Rajoy“, ruft er seinen Anhängern zu. „Wir wollen gewinnen.“
In den letzten Umfragen von Spaniens größten Tageszeitungen „El Pais“ und „El Mundo“ rutschen Rajoys Konservative auf 25 bis 27 Prozent ab, die Sozialisten mit ihrem Spitzenmann Pedro Sánchez straucheln ebenfalls und werden nur noch bei 20 bis 21 Prozent gesehen. Die Neulinge Podemos und Ciudadanos, die beide bisher nicht im Parlament vertreten sind, könnten zu den heimlichen Siegern werden: Ihnen werden aus dem Stand jeweils 18 bis 19 Prozent zugetraut.
Es könnte also spannend werden. Ohne politische Pakte wird es kaum weitergehen. Die Protestparteien dürften künftig eine Schlüsselrolle spielen. Wobei es möglich ist, dass die Wahl eine neue Regierung links von den Konservativen hervorbringt. Auch wenn absehbar ist, dass die Verhandlungen mangels klarer Mehrheiten schwierig sein dürften. Unabhängig davon steht aber jetzt schon fest: Spaniens bisheriges Zwei-Parteien-System, in dem sich in den letzten Jahrzehnten die Konservativen und die sozialdemokratisch orientierten Sozialisten an der Macht abwechselten, dürfte an diesem Sonntag endgültig der Vergangenheit angehören und beerdigt werden.

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