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Parlamentswahlen in Frankreich: Sarkozy hat alle Trümpfe in der Hand

Der neue Staatschef ist bei den Franzosen so beliebt wie vor ihm nur Republikgründer Charles de Gaulle. Die Sozialisten stecken in der Sinnkrise und das Zentrum ist zerschlagen.

Paris - Der neue Staatschef ist bei den Franzosen so beliebt wie vor ihm nur Republikgründer Charles de Gaulle. Die Sozialisten stecken in der Sinnkrise und das Zentrum ist zerschlagen. Die Opposition von den Kommunisten über die Sozialisten der Wahlverliererin Ségolène Royal bis zum Zentrum steckt in einer tiefen Krise. Die Linke macht sich keinerlei Illusionen und ruft die Wähler lediglich dazu auf, auf einen "rechten Tsunami" zu verzichten. Umfragen sagen Sarkozy bei dem Urnengang am 10. und 17. Juni bis zu drei Viertel der Sitze in der Nationalversammlung voraus.

Bei den Franzosen kommt das von Sarkozy gepflegte Macher-Image an. Fast täglich setzt er neue politische Akzente. Die Attitüde des über der Tagespolitik stehenden Staatschefs liegt dem 52-jährigen Ex-Innenminister nicht. Er funktionierte das höchste Staatsamt kurzerhand in das eines "Super-Regierungschefs" um: Seit seinem Sieg hat er dutzende Gespräche mit Gewerkschaften über seine Sozialreformen geführt, lässt sich von seinen Ministern persönlich Rapport erstatten und stürzt sich in den Parlamentswahlkampf, als müsste er noch einmal zum Präsidenten gewählt werden.

"Sarkozy bremst nie"

Im Sog des großen Wahlerfolges vom 6. Mai ist es ein Leichtes für Sarkozy, eine satte Mehrheit im Parlament als Rückendeckung für den Vollzug seiner Reformen in den kommenden fünf Jahren anzupeilen. "Französinnen, Franzosen, ich bitte um die Mehrheit, die ich brauche, um zu regieren und um die dem Volk gemachten Versprechen einzulösen", mischte sich Sarkozy auf einer Veranstaltung der Regierungspartei UMP in Le Havre direkt in den Wahlkampf ein - und rückte damit noch ein Stück von Vorgänger Jacques Chirac ab, der sich als Staatschef von den Niederungen des Wahlkampfes weitestgehend fern gehalten hatte.

Sein Premierminister François Fillon spricht von einem neuen Stil nach Art eines Formel-Eins-Rennfahrers: "Er bremst nie." Auch wenn nicht nur seine Kritiker ihm das Etikett "hyperaktiv" anheften, geben Sarkozy die Umfragen Recht: 65 Prozent der Franzosen zeigen sich mit dem Präsidenten zufrieden. Das sind zwölf Prozentpunkte mehr, als ihn am 6. Mai gewählt haben.

Bruch mit der Vergangenheit

In der Nationalversammlung wird seine UMP-Partei mit ihren Verbündeten laut Umfragen zwischen 401 und 450 Sitze für die Legislaturperiode bis 2012 bekommen. Bisher stellt die UMP-Fraktion 359 der 577 Mitglieder der Parlamentskammer. Die Sozialisten als stärkste Oppositionsfraktion kämen nur noch auf 90 bis 142 Mandate. Das wären mindestens sieben weniger als heute.

Sarkozys Logik ist bestechend einfach, und die meisten Franzosen sehen das auch so: Er wurde in den Élysée-Palast gewählt, um über den von ihm propagierten "Bruch" mit der Vergangenheit dringende Reformen auf den Weg zu bringen. Dazu passt kein links beherrschtes Parlament, das zu der ungeliebten Zwangsehe einer "Kohabitation" führen würde. Eine solche bestand 1997 bis 2002 zwischen dem neogaullistischen Präsidenten Chirac und dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin. "Die Kohabitation zieht einen Schwanz schwelender Konflikte und Lähmung nach sich", warnt der Staatschef. Auch die Sozialisten, hilf- und führungslos wirkend, können sich das nicht wünschen. Sie brauchen tief greifende Erneuerung - nach den Wahlen.

Sozialisten steckten in Vergangenheit fest

Nach Royals Niederlage brauchte die Sozialistische Partei (PS) quälend lange, um die Reihen nach einer Phase der Selbstzerfleischung zu schließen. Der seit zehn Jahre amtierende Parteichef François Hollande hat sein Amt praktisch zur Verfügung gestellt. In Frankreich wird nach der Wahl ein Machtkampf zwischen Royal und anderen PS-Größen um seine Nachfolge erwartet.

Doch mit Personalien ist es nicht getan: Frankreichs Linke klammere sich "an eine Vision der Welt, die von einer großen Zahl von Menschen nicht mehr geteilt wird", sagt der grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Sie habe sich "vollkommen überlebt". Auch die Sozialisten wissen, dass viele ihrer Jahrzehnte alten ideologischen Leitsätze einer Generalüberholung bedürfen.

Sarkozy pflückt Spitzenpolitker der Opposition

Und Sarkozy hat den Finger auf die Wunde gelegt, indem er bei der Regierungsbildung sozialistische Politiker in sein Lager holte, allen voran Außenminister Bernard Kouchner. Der Präsident kann dadurch vor der Parlamentswahl mit einer Regierung der Öffnung werben. "Opposition wozu noch?", heißt die Botschaft an das Volk.

Ähnlich ging Sarkozy mit dem Präsidentschaftsdritten François Bayrou um. Er brachte schon vor seiner Wahl praktisch alle Abgeordneten von Bayrous Zentrumspartei UDF dazu, in das Sarkozy-Lager überzulaufen. Mit Verteidigungsminister Hervé Morin ist diese Gruppe gleichfalls an der Regierung beteiligt, und ihre Formation Neues Zentrum hat sich offenbar mindestens 25 Sitze im Parlament zusichern lassen.

Da kann Bayrou mit seiner Partei-Neugründung Mouvement démocrate (MoDem) nicht mithalten. Umfragen geben ihr wegen des  Mehrheitswahlrechts maximal sechs Mandate. Bayrou hat die Parlamentswahl deshalb bereits abgehakt und blickt auf künftige Urnengänge: "Wir beginnen einen langen Marsch", sagt er. Das könnte auch für die Sozialisten gelten.

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