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Politik: Partei der Besserversteher Von Hans Monath

Kurz nach dem Machtwechsel zu RotGrün im Jahr 1998 fragte ein Unternehmer Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie er es nur verantworten könne, mit den Grünen zusammenzuarbeiten. Das seien ganz verlässliche Leute, beschwichtigte Gerhard Schröder damals – und wies den Wirtschaftsmann darauf hin, dass auch dessen eigene Familie öffentlich Sympathien für die Grünen bekundet hätte: „Was haben Sie denn nur gegen Ihre Frau und Ihre Kinder?

Kurz nach dem Machtwechsel zu RotGrün im Jahr 1998 fragte ein Unternehmer Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie er es nur verantworten könne, mit den Grünen zusammenzuarbeiten. Das seien ganz verlässliche Leute, beschwichtigte Gerhard Schröder damals – und wies den Wirtschaftsmann darauf hin, dass auch dessen eigene Familie öffentlich Sympathien für die Grünen bekundet hätte: „Was haben Sie denn nur gegen Ihre Frau und Ihre Kinder?“

Heute werden die Sozialdemokraten immer wieder schmerzlich daran erinnert, dass ihr kleiner Partner aus einer anderen sozialen Welt kommt. Zum ersten Mal haben die Grünen die Liberalen als Partei der Besserverdienenden abgelöst, haben Wahlforscher herausgefunden. Und während Kanzler und SPD unter den Verratsvorwürfen des eigenen Milieus leiden, legen die Grünen nicht nur bei Umfragen zu. Für eine Politik, die beide Parteien verantworten, wird die eine von ihren Stammwählern bestraft, die andere von ihrer Klientel belohnt.

Kein Wunder, dass bei manchen Sozialdemokraten Bitterkeit aufkommt. Die Grünen mit ihren drei Ministerien weit weg von den Kampfplätzen der Auseinandersetzungen um Arbeitsmarkt- und Sozialreformen mästeten sich am Elend der SPD, die sie in manchen Großstädten schon überholt haben, lautet der Vorwurf.

Zwischen der sozialen Herkunft der Grünenanhänger und der Tatsache, dass die Partei als Reformgewinner dasteht, besteht ein enger Zusammenhang. Zwar sind es keinesfalls nur Fabrikantengattinnen und -töchter, die bei der Ökopartei ihr Kreuz machen. Doch die vergleichsweise hohe Bildung der Grünenwähler garantiert ihnen nicht nur bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie schafft auch die Voraussetzung dafür, dass die Freunde der Partei in den Reformen der Koalition eher eine Chance für das Sozialsystem als eine Bedrohung für den eigenen Status erkennen.

Viel früher als Gerhard Schröder haben die Grünen mehr Flexibilität in der Arbeitsmarktpolitik gefordert. Auch bei der Reform der Pflegeversicherung, die die SPD gerne auf die lange Bank schieben würde, drängen die Grünen auf entschiedenes Handeln. Für viele Angehörige der Mitte, die im eigenen Interesse auch Chancen für schlechter gestellte Menschen verlangt, sind die Grünen gegenwärtig die konsequenteren Reformer. Wer wie die Grünen mit gutem Gewissen für unbequeme Entscheidungen streitet, kann mehr Menschen überzeugen als die zerquälten Sozialdemokraten.

Während die Grünen die Reformen für die ganze Gesellschaft noch gründlicher, noch radikaler gestalten möchten, trägt außerhalb des grünen Milieus allein die SPD die Last der Vermittlung. Manche Spitzenpolitiker der Grünen vermitteln den Eindruck, als fänden sie ihre Rolle im Windschatten der gesellschaftlichen Kämpfe um Hartz IV ganz behaglich. Während der Kanzler nun kämpft, ist von Vizekanzler Joschka Fischer zu den Existenzfragen seiner Koalition nichts zu hören. Dabei hätte der Politiker, dem die Deutschen die größte Glaubwürdigkeit bescheinigen, das kommunikative Talent, auch bildungsferne Schichten zu erreichen. Kanzler Schröder hat den Kampf um die Vermittlung aufgenommen. Den Verdacht, es ginge ihnen bei ihrer Abstinenz in der Hartz-Debatte nur darum, die eigene Haut zu retten, könnten die Grünen ausräumen. Wenn sie auch jene Menschen ansprechen würden, die in ihrer sozialen Welt nicht zu Hause sind.

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