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Politik: Partei oder Party

Von Malte Lehming

Noch so ein Sieg, und wir sind verloren. Also sprach Pyrrhus, der König von Epirus, nach einer sehr verlustreichen Schlacht gegen die Römer. Doch hoppla, Gerhard Schröder hat die Wahl ja gar nicht gewonnen. Seine Koalition wurde abgewählt. Seine Partei kam auf weniger Stimmenanteile als die Union nach 16 Jahren Helmut Kohl. Man muss an solche Fakten erinnern, weil der Kanzler sie seit Sonntagabend mit DauerEuphorie und bulligem Trotz mit einigem Erfolg zu verdrängen versucht. Schröder fühlt sich als Sieger, ist es aber nur, weil er die Demoskopen geschlagen hat. Dieser Triumph sei ihm gegönnt, aber was noch?

Seine Partei, die SPD, wacht langsam auf. Seit der Wahl war sie im Rausch, nun wird der Blick nüchtern. In welch abenteuerliche Pokerrunden zieht Schröder sie? Was tut er ihr an? Das Gerücht kursiert, mit einem Verfahrenstrick sei die Spaltung der Unionsfraktion in CDU und CSU geplant. Das wird erst gestreut, dann bestätigt und später dementiert, um dem Gegner kurz das Waffenarsenal zu zeigen. Seht her, wir könnten auch anders! Doch wer mit kalkulierten Regelverstößen droht, belastet die politische Kultur. Da erhebt sich einer über die traditionellen Regeln, weil er betört ist vom eigenen Charisma. Deutschland wird damit fertig. Doch wer rettet die SPD?

Was Schröder antreibt, sollten Psychologen klären. In was er die Genossen hineinzieht, muss diese bestürzen. Er sagt, er habe das Recht, Kanzler zu bleiben, weil er viel beliebter sei als Angela Merkel. Allein durch seine Aura, seinen Wahlkampf sei die eigene Partei gerettet worden. Mit anderen Worten: Ohne ihn wäre die SPD womöglich bei 28 Prozent, plus starker konkurrierender Ultralinkspartei im Parlament, übrigens ein Nebenprodukt von Schröders vorgezogenen Neuwahlen. Sieht so eine Partei aus, die sich als Sieger fühlen soll? Je stärker Schröder sich selbst redet, desto kleiner macht er die SPD. Dafür sollen ihm die Parteifreunde dankbar sein?

Schröder lässt durchblicken, wenn er nicht Kanzler bleibt, muss auch Merkel weg. Warum eigentlich? Ein nachvollziehbares strategisches Kalkül steckt nicht dahinter. Sein persönliches Motiv ist klar. Er will ungeschlagen sein im Felde, sich rächen an der Unverfrorenheit, gegen ihn überhaupt angetreten zu sein. Aber was gewinnt die SPD, wenn in einer großen Koalition statt Merkel ein Christian Wulff oder Roland Koch die Regierungsgeschäfte übernimmt? Schröders Taktik könnte die Union stärken. Auch der Dank seiner Partei für dieses Geschenk dürfte sich in Grenzen halten.

Und schließlich: Jedes Gerede über Tolerierungs- und Minderheitsmodelle wird brüsk zurückgewiesen. Nicht mit uns! Darüber hinaus darf wild spekuliert werden. Im letzten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Die Wahlen sind geheim. Also könnte sich Schröder nicht einfach mit Hilfe der Ultralinken wählen lassen, ohne dies je zugeben zu müssen? Doch jeder im Land wird wissen, wem der Kanzler dann die Macht verdankt. Und jeder seriöse, traditionelle, bürgerliche Sozialdemokrat auch. Soll seine Partei die der Trickser sein?

Die Party des abgewählten Kanzlers ist vorbei. Das Neonlicht geht an, die Putzkolonnen kehren das Konfetti zusammen – und die zerplatzten Luftballons der Illusionen. Mach mal halblang, heißt es in Hannover, Schröders Heimatstadt, wenn einer etwas zu großspurig auftritt. Das ist meist liebevoll gemeint. Irgendein Genosse sollte das auch Schröder mal sagen: Mach mal halblang.

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