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Parteien: Die grauen Panther sind zahm

Die Generation „50 plus“ wächst – warum Demoskopen den Seniorenparteien dennoch kaum große Chancen geben.

Berlin - Jürgen Adler möchte sich engagieren: für alternative Energien und grüne Gentechnik. Und für soziale Gerechtigkeit. Deshalb hat Adler Ende Mai mit Gleichgesinnten im bayrischen Harburg eine Wählergruppe gegründet. Die heißt „50 plus aktiv“ – und der Name ist Programm. Denn das Mindestbeitrittsalter liegt bei 50 Jahren. „Viele Menschen im Ruhestand müssen erkennen, dass niemand mehr etwas von ihnen und ihren Erfahrungen wissen möchte“, sagt Jürgen Adler. „50 plus aktiv“ soll das ändern. Auf der kommunalen Ebene, im Landkreis Donau-Ries. Mitglied kann deshalb nur werden, wer Bürger des Landkreises ist. Und keiner Partei angehört. Die erste Bewährungsprobe der Wählergruppe sind die Kreistagswahlen 2008.

Wählergruppen wie diese und Parteien für Senioren gibt es viele, deutschlandweit. Betrachtet man die demografische Entwicklung, so dürfte es ihnen an Wählern nicht mangeln. Denn in Deutschland gehören mehr als 30 Millionen Menschen der Generation „50 plus“ an, das sind 37 Prozent der Gesamtbevölkerung. 2035 wird fast jeder zweite Deutsche älter als 50 sein.

Doch die Chancen von Seniorenparteien, tatsächlich gewählt zu werden, sind gering, sagen Experten. „Das Seniorensein bestimmt nicht, welche Partei ein älterer Mensch wählt“, betont Achim Goerres, Wissenschaftler am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. „Zudem sind Themen wie Rente, Gesundheit und Pflege, anders als noch in den 80er Jahren, mittlerweile für die Angehörigen aller Generationen von Bedeutung“, fügt Goerres hinzu. Damals wurden in ganz Europa Parteien für die Älteren gegründet, die gegen Rentenkürzungen und den Abbau von Sozialleistungen protestierten. Dass, wie mancher fürchtet, die steigende Zahl alter Menschen langfristig zu einem Kampf der Alten gegen die Jungen führe, glaubt Goerres nicht. Oliver Krieg, Meinungsforscher bei TNS Emnid, sieht Seniorenparteien „meilenweit entfernt“ von der Fünf-Prozent-Hürde. Er warnt die Altenparteien auch davor, in die Marketingfalle zu tappen: „Senioren wollen nicht als Senioren angesprochen werden.“ Derzeit habe vor allem die CDU großen Erfolg im Seniorenbereich, die Christdemokraten schöpften in dieser Altersgruppe gut ab. „Die Senioren bleiben bei den traditionellen Parteien“, stellt Krieg fest. Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest Dimap, sieht die Alten ebenfalls eher bei den traditionellen Parteien: „Die Unzufriedenheit über die große Koalition hat sich gewandelt.“ Höhepunkt der Frustration sei der vergangene Herbst gewesen. Damals holten die Berliner Grauen Panther stadtweit 3,8 Prozent. „Die Grauen haben von der Enttäuschung über die große Koalition profitiert“, sagt Richard Hilmer. Das habe sich inzwischen geändert.

Norbert Raeder stört sich nicht an solchen Einschätzungen. Der Landesvorsitzende der Berliner Grauen Panther bekommt immer noch eine Gänsehaut, wenn er sich an den Wahlabend erinnert. Grauer Panther ist Raeder schon seit 13 Jahren - dabei ist er selbst erst 38. Und damit 44 Jahre jünger als die Panther-Gründerin Trude Unruh. „Ich wollte mich engagieren“, sagt der Kneipier mit dem Schnauzer und der Vokuhila-Frisur. Bei den traditionellen Parteien sei er allerdings auf verkrustete Strukturen gestoßen: „Die haben keine jungen Leute zugelassen.“ Bei den Grauen Panthern habe er sich dagegen gleich willkommen gefühlt. Norbert Raeder möchte die Generationen miteinander verbinden. Zum Vorteil der Senioren – und der jüngeren Generation. „Wenn die Jungen einen Arbeitsplatz bekommen, kriegen die Alten ihre Rente.“ Überhaupt müsse man die Senioren auf Händen tragen. An jungen Mitgliedern, die das genauso sehen, mangelt es den Hauptstadt-Panthern nicht: Das neueste Mitglied ist gerade 18 Jahre alt.

Den Wahlkampf im vergangenen Jahr haben die Berliner Panther mit dem Slogan „Poppen für ’ne sichere Rente?“ geführt. Was nicht allen gefallen hat, aber viele angesprochen haben mag, die mit dem Label Seniorenpartei nichts anfangen können. Die Grauen bezeichnen sich denn auch als Generationenpartei, in der sich junge und alte Panther gemeinsam für die Interessen aller Altersgruppen engagieren wollen. Langfristig auch auf Bundesebene: „Ziel ist schon, die Grauen auf jeden Fall in den Bundestag reinzukriegen, um deutschlandweit eine Stimme zu haben und auch Anregungen geben zu können, gerade auch in der Rentenfrage“, sagt der Landesvorsitzende Norbert Raeder. Ein wichtiges Ziel hat der Wirt des Reinickendorfer „Kastanienwäldchens“ auf diesem Weg bereits erreicht: „Keiner lacht mehr über uns.“

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