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Klaas Hübner

© Mike Wolff

Parteien: Hübner: "Das wäre ein verheerendes Signal“

SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner ist Unternehmer, Familienvater und Sprecher des "Seeheimer Kreises". Mit dem Tagesspiegel spricht er über den Fall Clement und einen neuen Anlauf von Andrea Ypsilanti in Hessen.

Herr Hübner, mal ehrlich: Hätten Sie Andrea Ypsilanti gewählt?

Ich wähle SPD, seit ich ihr angehöre. Ich hätte auch in Hessen SPD gewählt, wenn ich dort wahlberechtigt gewesen wäre.

Das können wir kaum glauben.

Wieso nicht?

Weil Sie damit die industrielle Substanz Hessens und damit die Zukunft des Standorts Deutschland aufs Spiel gesetzt hätten. Dieser Überzeugung ist jedenfalls der von Ihnen so geschätzte Wirtschaftsminister a. D., Wolfgang Clement.

Wolfgang Clement hat vor der Hessen- Wahl zu Recht auf die Risiken des Energiekonzepts der Landes-SPD verwiesen. Gerade in der Energiepolitik sollten wir waghalsige Experimente vermeiden. Auf Atomkraft und auf den Bau großer Kohlekraftwerke zu verzichten und komplett auf regenerative Energien umzusteigen, das kann in einem Zeitraum von nur zehn Jahren nicht funktionieren. Deshalb sollte man das auch nicht versuchen. Schon gar nicht in einem so stark industrialisierten Land wie Hessen.

Die Hessen-SPD gefährdet den Standort Deutschland, aber Klaas Hübner würde sie trotzdem wählen?

Es geht nicht nur um Energiepolitik, entscheidend ist das gesamte Angebot. Für mich gibt es keinen Zweifel: Die hessische SPD steht für soziale Gerechtigkeit. Sie schlägt in der Wirtschaftspolitik allerdings einen Weg vor, den wir diskutieren müssen, zur Not auch kontrovers.

Wolfgang Clements Diskussionsbeitrag bestand unter anderem darin, von der Wahl der Hessen-SPD abzuraten, weshalb er jetzt gegen seinen Parteiausschluss kämpfen muss.

Es war vollkommen gerechtfertigt, dass Wolfgang Clement die Energiepolitik der Hessen-SPD kritisiert hat. Problematisch war, dass manche Sozialdemokraten seine Intervention als Aufruf zur Nichtwahl der SPD verstanden haben.

Wie hätten die Genossen ihn denn sonst verstehen sollen?

Ich habe seine Äußerungen nicht als Aufruf zum Wahlboykott interpretiert. Aber sie lagen sicher an der Grenze dessen, was möglich ist. Ich bin froh, dass Wolfgang Clement jetzt deutlich gemacht hat, dass es nicht in seinem Sinne war, die Bemühungen der Genossen im Landtagswahlkampf zu sabotieren. Diese Richtigstellung war notwendig und klärend.

Was ist geklärt? Dass Clement bleibt?

Die Bundesschiedskommission wird ihre Entscheidung völlig unabhängig fällen. Clement hat nun dazu beigetragen, die Emotionen zu beruhigen. Ich hoffe, die Kommission berücksichtigt diesen Schritt in ihrem Urteil.

Was würde es bedeuten, wenn die SPD ihn doch ausschließen würde?

Das würde niemand verstehen. Wolfgang Clement hat als Minister dazu beigetragen, dass wir heute ein deutlich besseres wirtschaftliches Klima und weniger Arbeitslose haben sowie eine Sozialversicherung, die auf absehbare Zeit gesichert ist. Er steht als Person für eine schwierige, aber notwendige Reformpolitik, zu der nur die Sozialdemokraten in der Lage waren. Die Öffentlichkeit würde seinen Rauswurf als Bruch der SPD mit der Agenda 2010 begreifen. Das wäre ein verheerendes Signal.

Viele in der SPD lehnen Clement doch gerade deshalb ab, weil er eine Symbolfigur der Reformpolitik ist.

Das ist leider wahr. Mit der Agenda 2010 hat die SPD in hohem Tempo eine Reformpolitik durchgezogen, die viele Genossen überrascht hat. Und Wolfgang Clement stand im Zentrum dieser Politik.

Gibt es in der SPD Tendenzen zum Exorzismus?

Das ist übertrieben. Wolfgang Clement ist als Persönlichkeit nicht einfach zu nehmen. Auch deshalb sehen ihn Teile der Partei extrem kritisch.

Warum hat die SPD drei Jahre nach dem Ende der rot-grünen Regierung noch immer keinen Frieden mit der Agenda gemacht?

Die SPD hat die Agenda 2010 in der Tat noch nicht vollkommen verarbeitet. Wir lassen aber nicht locker, wir kommen voran. Das sollte uns heute leichterfallen, da die Erfolge dieser Politik spürbar sind. Der Aufschwung belegt, dass die Agenda 2010 richtig war. Wir Sozialdemokraten dürften daraus größeren Stolz ableiten, als wir das gegenwärtig tun. Mehr Selbstbewusstsein würde uns guttun.

Andrea Ypsilanti will nun einen neuen Anlauf unternehmen, mit den Grünen und der Linkspartei Roland Koch zu stürzen. Schadet sie damit der Bundes-SPD?

Es war für das Ansehen der SPD bundesweit sicherlich nicht förderlich, dass die Hessen-SPD trotz gegenteiliger Festlegungen im Wahlkampf eine von der Linkspartei gestützte Regierung bilden wollte. Das hat dem Ansehen der SPD nachhaltig geschadet. Was neuerliche Versuche anbelangt, halte ich es mit Kurt Beck. Der hat gesagt, es macht wenig Sinn, zweimal mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand zu laufen.

Davon lässt Ypsilanti sich offenbar nicht abhalten. Fehlt Beck die Durchsetzungskraft?

Die Landesverbände entscheiden vollkommen autark, mit wem sie eine Koalition bilden. Es ist ein Zeichen von Stärke, wenn Beck mit Blick auf die bundespolitische Wirkung trotzdem seine Meinung klarmacht.

Also ist Ypsilanti nicht mehr zu stoppen?

Das kann nur die hessische SPD selbst. Ich würde es mir sehr wünschen, dass die hessischen Sozialdemokraten keinen weiteren Anlauf unternehmen. Ich habe schon den ersten Versuch für falsch gehalten. Ich kann nicht erkennen, welche neuen Entwicklungen in Hessen eingetreten sind, die eine Neubewertung nahelegen. Deshalb wäre ein neuer Anlauf ein Fehler. Ich kann als Sozialdemokrat aus Sachsen-Anhalt auch nur dringend von einer auf die Linke gestützten Minderheitsregierung abraten. Geduldete Regierungen sind nie besonders starke Regierungen.

Warum?

Sie haben einen unsichtbaren Koalitionspartner mit am Tisch sitzen, den sie nicht mit in die Haftung nehmen können.

Hat die Duldung durch die damalige PDS der SPD in Sachsen-Anhalt geschadet?

Allerdings. Wir sind nach acht Jahren Regierung 2002 sehr deutlich abgewählt worden. Wir sind zwar jetzt wieder in einer Koalition, haben aber unsere alte Stärke noch nicht wieder erreicht.

Wäre ein neuer Anlauf Ypsilantis eine Belastung für einen SPD- Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier?

Die Kandidatenfrage ist noch nicht entschieden, so lange Kurt Beck keinen Vorschlag gemacht hat. Wir müssen vonseiten der Bundes-SPD klarmachen, dass wir ein Bündnis mit der Linkspartei ausschließen. Wenn die Hessen-SPD mit dieser Partei zusammengeht, wird das allerdings sehr schwer zu vermitteln sein. Wenn unsere Glaubwürdigkeit beschädigt wird, mindert das auch unsere Wahlchancen bei der Bundestagswahl 2009. Darum muss man sich dieser Verantwortung ganz genau bewusst sein.

Nun klagen die hessischen Sozialdemokraten, dass ihnen aus der Bundes-SPD immer nur geraten wird, was sie nicht tun sollen. Wo liegt denn die Lösung?

Der SPD-Bundesvorstand hat nach der Wahl empfohlen, Gespräche mit der FDP zu führen. Das wurde nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit versucht. Die FDP hätte sich einer Möglichkeit zu regieren nicht verschließen können. Nötigenfalls hätte man auch mit der CDU sondieren müssen.

Ist es dafür jetzt nicht zu spät?

Für demokratische Parteien gibt es keine Situation, in der der Zug für immer abgefahren ist. Wenn sich bestimmte Überlegungen nicht als tragfähig erweisen – und eine Minderheitsregierung ist in der Regel nicht tragfähig –, dann hat man immer die Möglichkeit, neue Gespräche aufzunehmen. Sei es mit der FDP, sei es mit der CDU.

Die nächste Debatte um ein Linksbündnis steht der SPD im Saarland ins Haus. Dort wurde Oskar Lafontaine am Samstag zum Spitzenkandidaten der Linkspartei gewählt. Womöglich wird er wieder Ministerpräsident.

Das halte ich für eine abwegige Vorstellung. Eine eigene Mehrheit kann er nicht bekommen. Und die Saar-SPD würde keinen Ministerpräsidenten Lafontaine mitwählen. Das muss die Bundes-SPD also nicht weiter beschäftigen. Die können da aufstellen, wenn sie wollen. Wir haben mit Heiko Maas einen guten SPD-Landeschef. Wir müssen uns auf unsere eigene Kraft besinnen und nicht darauf reagieren, was die Linkspartei treibt.

Im Saarland könnte die Linke erstmals im Westen stärkste Fraktion werden. Was würde das für die SPD bedeuten?

Beide großen Volksparteien hätten damit ein Problem, nicht nur die SPD. Wir müssen alles daransetzen, damit das nicht passiert.

Maas schließt eine Koalition mit der Linkspartei nur dann aus, wenn sie stärkste Kraft wird. Können Sie das erklären?

Ja. Die SPD wird nicht dafür gewählt, einen Ministerpräsidenten der Linkspartei ins Amt zu setzen. Wo die Linkspartei in den neuen Ländern unter Führung der SPD regiert, hat sie sich schweren Entscheidungen in der Sozial- und Finanzpolitik nicht entzogen. Unter der Führung der SPD scheint die Linkspartei koalitionsfähig zu sein, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das ist aber im Westen bislang nicht der Fall. Das ist aber etwas anderes, als wenn ich sie als stärkste Partei akzeptiere. Sie fragen ja auch nicht die Union, ob sie einen Guido Westerwelle zum Kanzler wählen würde.

Der Unterschied ist, dass die FDP sich in keinem Bundesland anschickt, stärkste Kraft zu werden.

Wir haben bisher noch in keinem Land die Linkspartei als stärkste Kraft aus einer Wahl kommen sehen. Ziel der SPD ist, dass das auch immer so bleibt. Wir konzentrieren uns auf die eigene Stärke und überlegen nicht, was wäre wenn.

Herr Hübner, was macht die SPD-Rechte falsch, dass sie in der Partei zusehends an Gewicht verliert?

Ich kann diese Beschreibung nicht bestätigen. Wir haben im Hamburger Programm deutliche Akzente gesetzt, was den vorsorgenden Sozialstaat angeht oder die Weiterentwicklung der Agenda 2010. Die Regierungsarbeit wird durch viele Kabinettsmitglieder geprägt, die uns zugerechnet werden. Die Minister und die SPD-Bundestagsfraktion entwickeln die Agenda-Politik in praktischen Schritten weiter. Wo wir regieren, setzen wir starke Akzente.

Aber in der Partei haben Sie keine Mehrheit.

Das wird sich noch auf Parteitagen zeigen. Wir sind im Parteipräsidium mit den stellvertretenden Parteivorsitzenden Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier sowie Schatzmeisterin Barbara Hendricks gut vertreten. Ich gebe aber zu: Wer als unbekannter Juso-Landesvorsitzender meckert, hat ein größeres mediales Echo als ein SPD-Regierungsmitglied, das sich zur Agenda bekennt.

Gibt es etwas, dass der „Seeheimer Kreis“ von der Parteilinken lernen kann?

Ich empfinde keine so starke Konkurrenz, dass mich das beschäftigen würde. Wir müssen miteinander auskommen. Vielleicht könnten wir als Reformer unsere Kräfte besser bündeln. Bei der Vorbereitung von Parteitagen oder Vorstandsklausuren ist der linke Flügel vielleicht besser aufgestellt. Wir arbeiten daran.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Hans Monath. Das Foto machte Mike Wolff.

Zur Person

GENOSSE

Klaas Hübner (41) kam 1983 über die Friedensbewegung zur SPD. Seit 2002 sitzt der in Bad Harzburg Geborene für die Sozialdemokraten im Bundestag ( Wahlkreis Bernburg/Bitterfeld).

BOSS

Hübner zog 1990 nach Sachsen-Anhalt, wo er sich selbstständig machte. In seinem metallverabeitenden Betrieb beschäftigt er heute 200 Mitarbeiter. Er lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Neugattersleben.

SEEHEIMER

Der Sprecher der im „Seeheimer Kreis“ organisierten SPD-Rechten wurde 2007 Vize-Fraktionschef. Er gilt als Befürworter einer Kanzlerkandidatur von Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

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