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Parteien: Piraten werden grün

Ein Jahr nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl suchen die Internetaktivisten nach neuen Themen. Im Protestland Baden-Württemberg rechnet sich die Partei Chancen aus.

Berlin - Es schien wie der Beginn einer Erfolgsgeschichte: 2006 gründet in Deutschland eine Gruppe junger, vornehmlich männlicher Internetaktivisten die Piratenpartei, schreibt sich Datenschutz, Bürgerrechte und Internetfreiheit auf die Fahnen und zieht in den Kampf gegen Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren. Vorbild waren die Piraten in Schweden. Zwischen der Europawahl im Mai und der Bundestagswahl im September 2009 verzehnfacht sich die Zahl ihrer Mitglieder, bei der Bundestagswahl erreichen die Piraten aus dem Stand zwei Prozent der Stimmen.

Doch ein Jahr nach der Wahl ist die Aufbruchsstimmung verflogen. Die Mitgliederzahl dümpelt seit Anfang des Jahres um die 12 000, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stimmten im Mai nur 1,5 Prozent der Wähler für die Piraten. Die schwedischen Kollegen tauchten bei der Parlamentswahl vor einer Woche mit weniger als 1,4 Prozent der Stimmen unter ferner liefen auf. Bei den Europawahlen hatten sie noch sieben Prozent erreicht.

„Als Ein-Thema-Partei wird die Piratenpartei in Deutschland erst einmal stagnieren“, sagt der Parteienforscher Peter Lösche. Um die Fünfprozenthürde zu knacken, müsse sie ihr Programm erweitern. Das haben auch die Piraten erkannt: „Nur mit den Themen Bürger- und Internetrechte schaffen wir keine große Bewegung mehr“, sagt Alexander Magnus, Spitzenkandidat der Landesliste Sachsen-Anhalt. Deshalb wollen die Piraten dort auch Umwelt- und Bildungsthemen besetzen, sich beispielsweise gegen die unterirdische Kohlendioxidspeicherung in der Altmark stark machen. In Baden-Württemberg positioniert sich die Partei gegen Atomkraft und gegen die Planung der Landesregierung beim Projekt Stuttgart 21. In beiden Bundesländern wird im März gewählt.

Nur: Für Umweltthemen stehen auch die etablierten Parteien, allen voran die Grünen, die laut Forsa-Institut derzeit bei 24 Prozent liegen. „Damit lockt die Piratenpartei keinen hinter dem Ofen vor, der Wähler bleibt beim Original und wählt grün“, sagt Parteienforscher Lösche. Die Piratenpartei tut sich schwer, ihr Profil zu schärfen. Im Internet wird über Mindestlöhne, Bildung und Wehrpflicht debattiert. „Die Partei braucht ein weiteres Alleinstellungsmerkmal“, sagt Lösche. Seiner Ansicht nach könnte sie sich dieses in der Wirtschaftspolitik erschließen – nach dem Motto: „Mit Hilfe von modernster Technik Arbeitsplätze schaffen.“

Derzeit sammeln die Piraten in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Unterschriften, um zur Landtagswahl zugelassen zu werden, in Baden-Württemberg haben sie bereits 55 Prozent der benötigten 10 500 Unterschriften zusammen. „Es sieht gut aus, dass wir als einzige Partei, die nicht im Bundestag ist, bei der Landtagswahl flächendeckend antreten“, sagt André Martens, politischer Geschäftsführer des baden-württembergischen Landesverbands. Chancen rechnet er sich in den Universitätsstädten Stuttgart, Freiburg und Konstanz aus.

Finanziell und organisatorisch sieht Lösche die Piratenpartei recht gut aufgestellt. „Ich vermute, dass sie bei den Landtagswahlen zumindest mehr als ein Prozent schafft und staatliche Zuschüsse bekommt.“ Das mache die Partei interessant für die Zukunft.

Vielleicht wird es dann doch noch eine Erfolgsgeschichte. Irgendwann.

Sophie Crocoll

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