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Ehe für Alle? Die Berliner CDU wollte sich mit dieser Frage innovativ und mit der Antwort modern geben - die Basis entschied anders: Ehe nur für manche.

© Doris Spiekermann-Klaas

Parteien und Mitgliederbefragungen: Homo-Ehe, Kopftuchverbot – Die Basis soll's richten

Die Basis zu fragen, gilt als schick und demokratisch. Aber nicht immer ist das Ergebnis wirklich offen - und manchmal ist es kompliziert. Denn wer fragt, kriegt Antworten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Skeptiker werden sich bestätigt sehen. Basisdemokratie bringt in der Politik eher Probleme als Erfolge. Das hat die Berliner CDU in diesem Sommer beim Mitgliederentscheid über die Homo-Ehe erfahren; das wird die Berliner SPD in diesem Herbst bei der Befragung ihrer Basis über deren Einstellung zum Kopftuch erleben.

Den Berliner Sozialdemokraten steht ein Durcheinander größeren Ausmaßes bevor, wenn ihre Basis gegen das in Berlin noch geltende Kopftuchverbot in Schulen und in Bereichen des öffentlichen Dienstes votiert. Denn für den Parteitag Mitte November zeichnet sich eine Mehrheit unter den Delegierten für das (geltende) Kopftuchverbot ab.

Um das Durcheinander zu vergrößern, könnte eine Kopftuch-abgeneigte Berliner SPD die Partei auch noch in einen Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht bringen. Dieses hatte im Januar entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist.

Mitgliederbefragungen können das demokratische Gefüge durcheinanderbringen

Käme es so, ginge es den Genossen in Berlin so ähnlich wie ihren Regierungspartnern von der CDU. Die hatten sich in Sachen Basisbefragung besonders modern geben wollen, doch die Basis entschied ganz konservativ mit Mehrheit, dass ihrer Auffassung nach die Ehe und die Lebenspartnerschaft von Homosexuellen nicht das Gleiche sind. Was den Landesverband nach vorne bringen sollte, hat ihn, so sieht man es intern, weit zurückgeworfen. Die Berliner CDU ist bundesweit der erste Landesverband der Union, der sich gegen den herrschenden gesellschaftlichen Trend festgelegt hat.

Noch ein Beispiel für Sachentscheidungen mit unklarem Ausgang? Die FDP-Basis entschied sich 2011 mit knapper Mehrheit für die Euro-Rettung. Damit beförderte sie die Formierung der Euro-Gegner zur Partei. Und wer weiß, ob die Pro-Euro-Mehrheit noch zustande käme?

Gewiss, das ist Spekulation. Fest steht aber, das die Basis ein schwer zu kalkulierender Faktor in der Politik ist und jeder Mitgliederentscheid den gewählten Anführern zusätzliche Gelegenheit zum Fehlermachen schafft. Der Berliner CDU-Chef Frank Henkel wollte in Sachen Homo-Ehe vor dem Ende der Abstimmung nicht sagen, wie er sich entschieden hat. Das ließ Führungsschwäche ahnen und jene Neigung zur großen Vorsicht, die man Henkel ohnehin nachsagt.

Wer fragt, kriegt Antworten - und zusätzliche Gelegenheiten, Fehler zu machen

Die Vormänner der SPD, Landeschef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh, machen es genau andersrum. Sie fragen die Basis jetzt unter anderem auch, was sie vom freien Cannabis-Verkauf hält – und geben den Parteifreunden mit, sie selbst hielten nichts davon. Was aber, wenn die Basis ignoriert, was die Chefs für richtig halten? Müssen die dann Politik gegen ihre Überzeugung machen?

Politiker ist ein schwerer und komplizierter Beruf. Er wird nicht leichter, wenn, wie in Berlin zu sehen, die Anführer die Verantwortung für die Richtungsansage auf tausende Parteimitglieder verteilen.

Die von vielen gewollte Basisdemokratie in den Parteien funktioniert noch am besten, wenn es um das Personal geht, um dessen Glaubwürdigkeit, seine Authentizität und seine Durchsetzungsfähigkeit – und wenn größere Polit-Pakete zur Abstimmung stehen, die das Führungspersonal ausgehandelt hat, zum Beispiel Koalitionsverträge.

So komplex ist Politik nun mal. Dagegen sind Ein-Punkt-Entscheidungen eher ein Politik-Ersatz.

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