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von Arnim

© dpa

Parteienkritiker von Arnim: "Die SPD wird von Umfragen getrieben"

Der Führungswechsel in der SPD hat die politische Landschaft kalt erwischt. Aus der Rückkehr von Franz Müntefering an die Parteispitze ergeben sich eine Menge Fragen. Tagesspiegel.de hat mit dem Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim gesprochen. Im Interview erklärt er, was der Führungswechsel für die Partei bedeutet, woran Kurt Beck gescheitert ist und warum sich Politiker nicht viel aus Umfrageergebnissen machen sollten.

Was bedeutet der Führungswechsel in der SPD für die Partei?

Zunächst mal scheint der Niedergang der SPD, der ja auch mit einer gewissen Führungsschwäche von Kurt Beck zusammenhing, durch diesen Hau-Ruck-Gewaltakt angehalten zu sein.

Auf der anderen Seite darf man nicht zu große Erwartungen in den neuen Kanzlerkandidaten der SPD setzen. Was er vorzuweisen hat, sind ja eigentlich nur fantastische Umfragewerte. Die darf man aber nicht überbewerten, denn sie liegen bei Außenministern im System. Alle Außenminister haben immer überdurchschnittlich gute Umfrageergebnisse gehabt, das war sogar bei Kinkel der Fall. In der Außenpolitik kann man sich wunderbar profilieren, außenpolitische Standpunkte werden oft innenpolitisch nicht kontrovers diskutiert.

Das heißt deshalb in gar keiner Weise, dass das ein Ausweis für die zukünftige innenpolitische Beliebtheit von Herrn Steinmeier sein wird. Innenpolitisch, auch parteipolitisch ist er bisher fast völlig unbeleckt. Bei Beck hat sich unterdessen so etwas wie das Peter-Prinzip ausgewirkt, das besagt, dass man so lange steigt, bis man dem Amt nicht mehr gewachsen ist.

Und was bedeutet das Comeback von Franz Müntefering?

Müntefering ist damals ausgeschieden wegen parteiinternen Querelen. Man hat ihm den Generalsekretär, den er sich ausgesucht hatte, nicht gewährt, und er hat deprimiert und enttäuscht hingeschmissen und den Vorsitz abgegeben. Die Probleme, wegen derer er damals gegangen ist, bestehen jedoch nach wie vor. An seine Rückkehr sind hohe Erwartungen gekoppelt, auch menschlich steht er gut da, denn man kann nachvollziehen, warum er sich in den letzten Monaten zurückgezogen hatte.

Dass er jetzt wieder so hochgejubelt wird, hängt jedoch auch mit dem schwachen Bild zusammen, das Kurt Beck am Schluss geliefert hat. Deswegen darf man auch an Müntefering nicht zu hohe Anforderungen stellen. Die Linkspartei drängt. Es war kein Zufall, dass man teilweise die Agenda 2010, an der er maßgeblich beteiligt war, in Frage gestellt hat. Das beruht auf dem Druck, den die Linkspartei ausübt und der nicht abnehmen wird. Im Gegenteil: Es kann sein, dass die Linkspartei mit Müntefering und Steinmeier jetzt erst Recht zwei Bilderbuch-Gegner zu haben glaubt, die sie mit populistischen Parolen vorzuführen sucht.

Was ist denn das Problem der SPD?

Die SPD lässt sich zu sehr von Umfragewerten treiben. Einerseits haben diese Steinmeier so richtig hochgejubelt, andererseits wurde Beck durch Umfragen scheinbar immer tiefer in den Sumpf gezogen. Dabei sagen Steinmeiers Werte nichts über eine Fähigkeiten aus, wenn es um die Lösung von innenpolitischen Problemen oder den politischen Kampf um die Macht geht. Diese übermäßige Abhängigkeit des politischen Handelns von Umfragen führt leicht zu Fehlschlüssen. Das hat man auch bei Schröder gesehen: Anfang 2005 waren seine Werte wirklich im Keller und am Ende stand es bei der Wahl fast pari-pari.

Wie steht die SPD jetzt da?

Die SPD ist zerrissen, weil starke Kräfte nicht sicher sind, ob sie nicht doch mit den Linken zusammengehen sollten. Da geht es nicht nur um Hessen, sondern auch um den Bund nach der Bundestagswahl im Herbst 2009, vorne weg um die Bundespräsidentenwahl im Mai 2009. Und diese Problematik hat sich seit dem Rücktritt von Franz Müntefering 2007 eher noch verschärft.

Was hat Kurt Beck letztlich falsch gemacht?

Kurt Beck hat einen fatalen Zick-Zack-Kurs gefahren. Als es um die Frage ging, ob Ypsilanti sich von den Linken unterstützen lassen sollte, hat er mal Hü! mal Hott! gesagt. Das hat seine Glaubwürdigkeit erschüttert.

Auch in anderen Fragen hat er sich erst festgelegt und musste dann klein beigeben, etwa gegenüber Andrea Nahles, die ihn richtiggehend vorgeführt hat. Er hat nicht wirklich mehr Autorität ausgestrahlt und mehrere parteiinterne Niederlagen vor der Öffentlichkeit hinnehmen müssen. Das hat seine Position immer weiter verschlechtert.

Was wird der Führungswechsel für den linken Flügel der SPD für Konsequenzen haben? Immerhin sitzen da die alten Schröder-Leute wieder an der Macht.

Ich glaube, dass das für Frau Ypsilanti keine Konsequenzen hat. Die hat sich abgenabelt von der Führungs-SPD, die macht ihr Ding, ganz egal, was auf der Berliner Ebene passiert. Aber auch in der Gesamt-SPD wird jetzt nicht großes Einvernehmen herrschen. Da steht nach wie vor die Frage im Raum, wie man es denn nun mit der Linken halten soll. Und es ist fraglich, ob Müntefering das lösen kann, er ist ja schon einmal an dieser Frage gescheitert. Längerfristig glaubt ohnehin kaum noch jemand, dass die SPD sich nicht mit den Linken einlässt.

Ist die Zeit vorbei für die SPD? Die Sozialdemokratie steckt ja nun schon länger in der Krise.

Das glaub ich nicht. Die SPD hat zwar starke Konkurrenz durch die Linke bekommen, die eben in Lafontaine einen auf seine Art geradezu genialen Propagandisten hat. Andererseits hat die Linke überall wo sie an der Regierung ist, massiv an Stimmen verloren, weil sie ihre weitgehenden, gar nicht bezahlbaren Versprechungen nicht realisieren konnte. Wenn sich auf breiter Front zeigt, dass die Linke mit sehr viel Schaumschlägerei arbeitet, dann könnte die SPD wieder Oberwasser bekommen.

Kam der Führungswechsel überraschend für Sie?

Die Kanzlerkandidatur von Steinmeier war absehbar, dass Beck dann jedoch entnervt hinschmeißt, kam überraschend. Ich hätte Beck allerdings schon vorher dazu geraten, wieder auf den "Erfolgspfad Rheinland-Pfalz" einzuschwenken. Auf Bundesebene weht halt ein ganz anderer Wind.

Was würden Sie dem neuen Führungs-Duo jetzt empfehlen?

Sie können gar nicht anders, als an Hartz IV festzuhalten und weitere Verschlimmbesserungen abzulehnen, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren. Daraus ergibt sich aber auch der Konflikt, dass sie langfristig gesehen zwangsläufig mit der Linken zusammen gehen müssen. Bestimmte Kreise in der SPD werden das auch schon sehr bald wollen. Dieser Konflikt ist nach wie vor nicht bewältigt.

Hans Herbert von Arnim (Jahrgang 1939) gilt als Deutschlands führender Parteienkritiker. Bekannt wurde er durch zahlreiche Bestseller, in denen er das deutsche Parteiensystem und die Politiker scharf kritisierte und mehr direkte Demokratie forderte. Sein aktuelles Buch "Die Deutschlandakte" erhielt dafür viel Lob, wurde aber auch für vermeintliche "Demokrativerachtung" von der "Zeit" verissen. Von Arnim lehrt als emeritierter Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

Interview von Daniel Bröckerhoff

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