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Parteipolitik: Die Union hakt sich unter

Noch fünf Monate bis zur Wahl. Mit der Absage von zwei heiklen Gesetzesvorhaben will die Kanzlerin auch Ruhe ins eigene Lager bringen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Absage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an einen Mindestlohn für Leiharbeiter und die Neuorganisation von Jobcentern noch in dieser Legislaturperiode ist bei den Abgeordneten von CDU und CSU als Signal zur Geschlossenheit an die eigene Fraktion gewertet worden. Das nahende Ende der Regierungszeit und die in den kommenden Wochen beginnenden Arbeiten am eigenen Wahlprogramm zur Bundestagswahl sollen offenbar nicht durch öffentlich ausgetragene Streitigkeiten in den eigenen Reihen überschattet werden. Diese hatte es im Verlauf der zurückliegenden Monate insbesondere bei Entscheidungen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise und in Fragen der Steuerpolitik immer wieder gegeben. Sie zeichneten ein Bild der Nervosität und Richtungslosigkeit in der Unionsfraktion.

Ganz formal gesehen hätte es eines klarstellenden Wortes von Merkel vor ihrer Fraktion am Dienstag überhaupt nicht bedurft. Schließlich hatten die Abgeordneten von CDU und CSU bereits vor Ostern mehrheitlich gegen die Umsetzung eines Gesetzentwurfes zur Neuordnung der Jobcenter gestimmt. Auch die Frage der Einführung eines Mindestlohnes für Leiharbeiter ist innerhalb der Unionsfraktion eigentlich längst entschieden.

Dennoch standen beide Vorhaben noch auf der Agenda der großen Koalition. Merkel musste deshalb nicht nur Auseinandersetzungen mit dem Regierungspartner fürchten, sondern auch innerhalb der eigenen Reihen. Gerade bei der Neuordnung der Jobcenter, die insbesondere unionsgeführten Ländern wie etwa Hessen sehr stark am Herzen liegt, bestand diese Gefahr. Merkels Absage an die gesetzlichen Regelungen hat den Streit nun gebannt. „Was nicht geregelt wird, macht auch keinen Ärger“, interpretierte ein CDU-Abgeordneter nach der Fraktionssitzung am Dienstag die Intention der Kanzlerin.

Wie weit das Prinzip trägt, ist allerdings offen. Schließlich stehen zumindest noch zwei weitere Gesetzesvorhaben auf der Koalitionsliste, die aus Sicht der Kanzlerin umgesetzt werden sollten, allerdings inhaltlich für Kontroversen in der Union sorgen könnten. Gemeint ist sowohl das Gesetz zur Bekämpfung von Steueroasen als auch das zur Begrenzung von Managervergütungen. Zudem tauchen immer neue Themen auf, die das Bild einer handlungsfähigen und entschlossenen Union stören. So ist die Auseinandersetzung von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) und Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) um den Umgang mit genverändertem Mais gerade ausgestanden, da gibt es aus Bayern neue Forderungen nach einem Verbot von Genkartoffeln. Und mit „zunehmender Nervosität“, wie ein CDU-Abgeordneter sagt, erwarte man die Programmdebatte mit Blick auf die Haushalts- und Steuerpolitik und die entsprechenden Vorschläge der CSU. Denn noch besteht in der CDU die leise Hoffnung, dass die Steuersenkungspläne der CSU spätestens nach der Steuerschätzung Mitte Mai und dem damit offen zutage tretenden Milliardenloch in den Staatskassen schlanker ausfallen könnten.

Die Vorstellung des Wahlprogrammes der SPD am vergangenen Wochenende hat aber erst einmal bewirkt, dass die Reihen der Union dichter geschlossen sind. Die frühe Konkretisierung insbesondere der Steuerpläne wird in der Union als strategischer Fehler betrachtet. Schließlich ändere sich in diesen Krisenzeiten die Lage ständig, was heute noch sinnvoll erscheine, sei es morgen nicht mehr. Die eigenen Pläne, die einen kurzen Wahlkampf und einen mit Ende Juni späten Zeitpunkt der Programm-Veröffentlichung vorsehen, werden daher begrüßt. Denn zum einen glaubt die Union in einem Überbietungswettbewerb mit der SPD bei Steuer- und Gerechtigkeitszusagen nicht bestehen zu können. Und zum anderen gilt wohl auch für das eigene Wahlprogramm: Was nicht konkret geregelt wird, macht in den eigenen Reihen auch keinen Ärger.

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