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Politik: Parteispitze der Grünen: Kleine Erfolge, riesige Probleme

Die Grünen sind eine junge Partei. Wenn sie dennoch häufig so alt aussehen, liegt das nicht zuletzt an einem Politikverständnis, das die Konkurrenz längst überwunden hat.

Die Grünen sind eine junge Partei. Wenn sie dennoch häufig so alt aussehen, liegt das nicht zuletzt an einem Politikverständnis, das die Konkurrenz längst überwunden hat. Obwohl regierungserfahren, fühlt sich eine Mehrheit der aktiven Mitgliedschaft immer noch als "Bewegungspartei" - als politischer Arm von Initiativen, die es (dies verschärft das Problem) in dieser Form schon eine Weile nicht mehr gibt.

Aus dieser Tradition gibt die Partei nur in Trippelschritten die Weigerung auf, sich eine professionelle Führung zu leisten. Seit rund 100 Tagen ist nun ein Spitzenduo im Amt, das mit diesem Ballast aufräumen soll. Renate Künast aus Berlin und der Schwabe Fritz Kuhn machen ihre Sache bisher ordentlich. Sie sind in den Medien präsent, wie sich das für Parteivorsitzende gehört. Und sie machen dort eine gute Figur. Sie haben das Management der Partei verbessert - was auch eine politische Frage ist.

Gesellenstück der neuen Führung war der Koalitionskompromiss zur sozialen Abfederung des Ölpreises. Die Grünen beharrten zunächst auf einer direkten Förderung von Alternativen zum Individualverkehr. Dann machte ihnen Hans Eichel ein Geschenk, indem er die Umwandlung der Kilometer- in eine Entfernungspauschale anbot. Eine alte Forderung der Grünen. Der Haken: Die Ökopartei wollte ursprünglich die Pauschale senken, nicht erhöhen. Trotzdem: Der Kompromiss gelang - weil die Fraktions-, aber vor allem die neue Parteiführung professionell die Kurve bekam. Kein Streit, nur Erleichterung. So hätte das die Partei bis vor kurzem noch nicht geschafft.

An diesem Erfolg wird allerdings auch deutlich, das Kuhn und Künast mehr ungelöste Probleme vor sich als gelöste hinter sich haben. Dass es nicht ihre Idee war, die zur Einigung führte und damit die Ökosteuer rettete, deutet auf die Schwäche der Partei in einem ihrer früher stärksten Felder hin. Die Grünen sind keine Programmpartei mehr. Sie haben wunderbare, illusionäre Utopien von früher und inzwischen einen Berg kurzfristiger realpolitischer Maßnahmen. Dabei sind sie den anderen Parteien gelegentlich sogar voraus. Bei der Steuerreform zum Beispiel. Da setzten sie sich in den Koalitionsverhandlungen noch vergeblich für ein Konzept ein, dass Eichel nun umsetzt. Finanzpolitik gehört allerdings für die Grünen nicht zu dem, was man bei Unternehmen "Kerngeschäft" nennen würde. Jedenfalls nicht in den Augen der Wähler.

Den Grünen mangelt es an programmatischen Forderungen mittlerer Reichweite - diesseits der Utopie und jenseits des puren technokratischen Pragmatismus. Dieses Manko ist immerhin erkannt, deshalb will sich die Partei ein neues Programm geben. Die vorige Parteiführung hat dabei versagt. Kuhn und Künast müssen nun, wie einst Geißler in der CDU, eine programmatische Debatte organisieren, die für Mitglieder und die Öffentlichkeit spannend sein kann.

Damit sind wir wieder beim Problem der "Bewegungspartei" an der Regierung. Die Bewegungspartei will nicht nur weiter als die Regierung, sie will auch den Kurs ihrer Parlamentarier bestimmen. In den anderen Parteien wird die Richtung längst von den Fraktionen bestimmt. Das gilt auch für das "radikale" Programm der FDP, das Guido Westerwelle seiner Partei verordnete. Es diente zur Profilierung in der alten Koalition. Zur Wiedergewinnung der Macht ist es bedeutungslos.

Die Grünen müssen also auch programmatisch ihre Rolle als Regierungspartei annehmen. Das heißt nicht nur, kluge Forderungen zu stellen, sondern dabei zu bedenken, was ein Juniorpartner davon verwirklichen kann. Das ist keine Banalität, denn es bedeutet, die Regierungspraxis als Fortschritt auf einem langen Weg wahrzunehmen und nicht bloß die Differenz zwischen Standort und Ziel zu vermessen. Die Grünen sind dabei, das zu verstehen. Noch sind Künast und Kuhn vor allem Produkte dieses Prozesses. Produkte mit respektablen Anfangserfolgen. Wollen sie bis zur Bundestagswahl als erfolgreich gelten, müssen sie sich zu seinen Herren aufschwingen.

Thomas Kröter

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