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© AFP

Parteitag: CDU: Erst mal gucken, dann mal sehen

Alle Optionen offen? Kaum jemand glaubt, dass die CDU-Parteitagsbeschlüsse lange Bestand haben werden.

Von Robert Birnbaum

Reden erregen Aufmerksamkeit gemeinhin wegen Form und Inhalt. So gesehen ist Horst Seehofer eine echte Innovation gelungen: Seine Rede an den CDU-Parteitag erregt Aufmerksamkeit, weil er sie nicht vorgetragen hat. Stattdessen hat sie der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer auch nicht vorgetragen. Aber das ist ja ohnehin das Hauptmerkmal der zwei Stuttgarter Tage: Es ist der Parteitag der ungehaltenen Reden. Seehofer hat sich aber doch zu Wort gemeldet, per Zeitungsinterview. „Die Steuersenkung ist überfällig“, hat der CSU-Chef bekräftigt, „wir als CSU wollen sie noch vor der Wahl.“ Angela Merkels Widerstand dagegen: „schlicht und einfach falsch“.

Ob Seehofer das leibhaftig in der Stuttgarter Messehalle auch so deutlich gesagt hätte, ist ungewiss. Diese Frage ist mindestens so schwer zu beantworten wie die, wieso der Bayer abgesagt hat. Die Theorien und Auskünfte sind widersprüchlich, sie reichen von „Horst kneift“ bis zu Mutmaßungen darüber, ob da nicht zwei Parteivorsitzende miteinander zu dem Schluss gekommen sein könnten, dass es besser ist, der eine redet nicht. Wie auch immer: Merkel und der CDU erspart Seehofers ungehaltene Rede die offene Konfrontation, Seehofer die Peinlichkeit, dass er mit einer um 30 Milliarden Euro klammen Landesbank im Rücken auch nicht bloß als Held dastünde. So hat er Ramsauer geschickt. Der redet vor halbleerem Saal viel über die Erbschaftsteuer, verdammt Konsumgutscheine als typisch sozialdemokratische Idee und sagt ansonsten, dass er glaubt, dass CDU und CSU in Sachen Steuern „im kommenden Jahr konkrete Politik schmieden“ werden.

Mit dem Glauben ist er nicht allein im Saal. Es ist im Gegenteil schwierig, unter den Delegierten einen zu finden, der die Mindesthaltbarkeit der Parteitagsbeschlüsse zum Thema Krisen höher veranschlagt als die eines Päckchens Butter. Dass der Leitantrag des Bundesvorstands, der das Nein zu schnellen Steuersenkungen enthält, am Montagabend ohne jede Wortmeldung abgesegnet wurde, sei doch bezeichnend, sagt ein Niedersachse: „Die Leute wissen, das ist das Papier nicht wert“ – spätestens seit die Parteichefin sich „alle Optionen“ für die nächsten Koalitionsberatungen am 5. Januar zum Krisenmanagement vorbehalten hat. Die Debatte, welche Optionen das sein könnten, ist in den Fluren längst in Gang: öffentliche Investitionen, Nachbessern beim Bankenrettungspaket, doch eine Steuerkorrektur? Längst sind die Möglichkeiten durchgerechnet: Die „kalte Progression“ abzuschaffen, sagt ein Fachpolitiker, koste 13 Milliarden Euro. Offen werden diese Punkte nicht diskutiert. So weit geht der pragmatische Zynismus, dass für eine Abstimmung über einen Zusatzantrag zum Umweltschutz der amtierende Tagungsleiter Peter Müller erst die Stimmzählungskommission aus dem Halbschlaf aufschrecken muss; der Antrag, eine Öko-Abgabe auf Flugtickets, wird übrigens abgewiesen.

Wohl ist vielen mit sich selbst bei alledem nicht. Die Methode „erst Abwarten, dann mächtig gegensteuern“ wecke Erwartungen, die Merkel bei einem ernsten Wirtschaftseinbruch gar nicht erfüllen könne, fürchtet einer. Anderen ist mulmig bei dem Gedanken, was sie ihrer Parteibasis als Botschaft mitbringen sollen. Alles werde gut, auch wenn noch keiner wisse wie, sei „zu wenig“, murrt einer. Das Präsent des Gastgebers – ein Satz Viertele-Weingläser – hilft nicht weiter: „Mitnemma! s'koscht nix!“ steht auf dem Päckchen. Alles umsonst also? „Hier ist jetzt eine klare Position“, fasst ein Präsidiumsmitglied den Parteitag kühl zusammen, „und im Januar sehen wir weiter.“

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